Volltext: Der Völkerkrieg Band 13 (13 / 1918)

Vor dem russischen Staatsbankerott 
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vermögen wirklich nicht dadurch geschädigt wird. Anders aber steht eS auf alle Fälle 
mit den Erzeugnissen der russischen Notenpresse, die nach gewiß unverdächtigen Angaben 
der russischen Slaatsbank Ultimo 1916 bereits die Höhe von 8% Milliarden erreicht 
hatten und demnächst durch die von Bark beantragte „Erhöhung des Emissionsrechts 
der Staatsbank" um weitere 3 Milliarden die imponierende Höhe von 11% Milliarden 
Rubel erreichen dürften. Die metallische Deckung dieser Banknoten ist eine recht myste 
riöse: wir wissen nicht, wie groß die Goldbestände waren, die die russische Staatsbank 
in Form von Faustpfändern bzw. Depositen für gewisse Kreditoperationen hatte nach 
London abführen müssen; wir wisien somit auch nicht, inwieweit die rund 3 Milliarden 
Rubel, die die russische Staatsbank in ihren Wochenberichten als Aktivposten anführt, 
tatsächlich in den Tresors der russischen Staatsbank lagern oder aber diejenigen der 
Lombardstreet füllen. Aber selbst bestenfalls wird der russische Staatssäckel demnächst 
über 8 Milliarden ungedeckter Noten im Umlauf haben, wodurch das gesamte, die russische 
Volkswirtschaft belastende Passivum sich auf rund etwa 72 Milliarden Rubel erhöht, 
d. h. aus 60 °/o des gesamten russischen Nationalvermögens. 
Kommentare und Schlußziehungen sind angesichts dieser einfachen Berechnung über 
flüssig. Länder mit einer mehr oder weniger gesunden Volkswirtschaft können unter 
Umständen nicht allzuschwer einen Staatsbankerott verwinden, ist aber erst diese Basis 
geschwunden, so ist auch der allerschrecklichste und irreparabelste aller Bankerotte da: 
der wirtschaftliche Bankerott eines Volkes." 
Mangel, Teuerung, Not und Korruption 
Ueber den Umfang der in Rußland im zweiten Halbjahr 1916 herrschenden Teuerung 
und Lebensmittelnot, durfte die russische Presse nur kurze Bemerkungen machen. Daß 
aber diese Fragen nach wie vor trotz der schweren politischen Krise, die das innere Leben 
Rußlands schleichend zersetzte, im Mittelpunkt aller Interessen standen, ergibt sich aus 
den umfangreichen Beratungen, die darüber in der Reichsduma stattgefunden haben. 
Besonders die große Rede, die der Kadett S chingarem am 7. Dezember 1916 unmittel 
bar nach der Antrittsrede des neuen Landwirtschastsministers Rittich hielt, schildert die 
Entwickelung des „Chaos" und wirft neues Licht auf innerpolitische Zustände, die bisher 
kaum zu verstehen waren. 
„Vier Landwirtschaftsminister und 6 Minister des Innern, führte Schingarew," 
nach der „Frankfurter Zeitung"( 22. XII. 16), „aus, hat Rußland im Kriege verbraucht, 
ohne der Lebensmittelnot Herr zu werden; die Preise sind um 80, 100, 200 sogar um 
300 % gestiegen. Dabei ist die Saatfläche, die für die nächste Ernte bestellt wurde, in 
einigen Gouvernements, und zwar in den landwirtschaftlich wichtigsten, um 20 bis 30 % 
zurückgegangen. Mitten in der Erntezeit, in der sich sowieso der Mangel an Arbeits 
kräften schwer fühlbar machte, wurde am 15./28. Juli die „unüberlegte, gänzlich un 
nütze Einberufung einer gewaltigen Zahl von Männern" verkündet, die „das ganze 
Land in Verwirrung" brachte. Es handelt sich dabei um die Einberufung der Reichs 
wehr, durch die einige Millionen Leute betroffen wurden. Die „Besondere Beratung", 
die zur Linderung der Lebensmittelnot besteht, beriet sofort über diese Maßnahme, deren 
Aufschub sie in der dringendsten Weise forderte. Es stellte sich heraus, daß die ganze 
Maßnahme überflüssig gewesen war, auch vom militärischen Standpunkt aus, so daß 
auch jetzt noch eine ganze Kategorie der damals Mobilisierten nicht eingezogen ist. In 
vielen Gegenden Rußlands hatte man sich schon vor der Ernte „Fremdstämmige" ge 
sichert, d. h. zentralastatische und kaukasische Mohammedaner, die vom Militärdienst 
bisher befreit waren. In Ostrußland konnte die Ernte überhaupt nur mit Hilfe dieser 
fremdstämmigen Arbeiter eingebracht werden. „Plötzlich erschien," erklärte Schingarew,
	        
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