Volltext: Der Völkerkrieg Band 13 (13 / 1918)

312 Italien und der Vatikan während des fünften Kriegshalbjahres 
Kundgebungen von Staatsmännern 
Giolitti im Provinzialrat von Cuneo, Mitte August 1916 
Giolittis Rede im Piemonteser Provinzialrat wich nicht wesentlich von anderen Reden 
vorsichtig urteilender italienischer Staatsmänner ab. Er betonte zunächst, er habe schon 
im Juli 1915 daraus hingewiesen, daß der Kampf, den Italien begonnen habe, hart 
sei und schwere Opfer erfordere, daß aber kein Opfer zu groß sei, wenn man bedenke, 
daß vom Ausgang des Kampfes und den Friedensbedingungen die Zukunst Italiens 
für lange Zeit abhängen werde. Die bisherigen 15 Monate hätten ergeben, daß das 
italienische Volk der größten Opfer fähig sei. Giolitti rühmte dann die Tapferkeit der 
italienischen Soldaten, namentlich der Alpini, und sprach schließlich die Erwartung aus, daß 
der Staat sich unter weitherziger Gewährung von Mitteln der Familien der Gefallenen 
und Verwundeten annehme. Der Kampf könne noch lang und hart sein, aber der innige 
Zusammenhang zwischen den Streitern an der Front und dem opferfreudigen Volk würde 
zum Sieg und damit zur Erfüllung der nationalen Ansprüche führen. 
Während einige nationalistische italienische Blätter anerkannten, daß Giolitti vater 
ländisch gesprochen habe, fanden andere, wie der „Popolo d'Jtalia" und der „Secolo", 
man müsse sich vorsehen, daß die Spekulationen Giolittis und seiner Freunde nicht 
Erfolg hätten. Der „Secolo" meint, Giolitti habe, wie auch der Minister Meda, der 
ebenfalls im Provinzialrat sprach, um der Volksgunst willen seine frühere Meinung 
geändert. Sie seien beide nicht berufen, in dieser Weise aufzutreten. Wer bis zum 
Mai 1915 die nationale Kraft der italienischen Nation in Frage gezogen habe, besitze 
nicht das Recht, sich mit Hochrufen aus Italien den Beifall der Menge zu sichern. 
Die „Tribuna" dagegen bezeichnete die Rede Giolittis in Cuneo im Gegensatz zu den An 
feindungen des „Popolo d'Jtalia" als ein förmliches Ereignis. Sie zeige, daß ein Staats 
mann mit seinem patriotischen Empfinden, wie auch seine Haltung während der histo 
rischen Krisis Europas gewesen sein möge, sich nach getroffener Entscheidung ihr willig 
zu fügen wisse. Und die Wiener „Zeit" (17. VIII. 16) schrieb: „Damit vollendet sich 
mehr als das Einzelschicksal eines der bedeutendsten Staatsmänner Italiens, ja ganz 
Europas; denn dieser Mann hat seine Vergangenheit nicht verleugnet, ohne zu erkennen, 
daß dies der einzige Weg sei, um im heutigen Italien wieder zur Macht oder doch 
wenigstens zum Worte zu gelangen. Die letzte Säule der alten Schule, die im Drei 
bundsgedanken aufgewachsen war und vor dem Kriege erschauerte, ist umgefallen, wie 
der technische Ausdruck der Politiker lautet, die es an der Zeit finden, ihre Meinung 
zu ändern, weil sich der Wind gedreht hat." 
Minister Meda in Mailand, Ende August 1916 
Der Minister Meda, das katholische Mitglied des Ministeriums Boselli, gab in einer 
Rede in Mailand die Erklärung ab, daß er im Laufe des Krieges von seiner Kriegs- 
gegnerschast zurückgekommen sei und sich von der Notwendigkeit des Eintritts Italiens 
in den Krieg überzeugt habe. Die „Jdea Nazionale" schrieb dazu an leitender Stelle 
der Rede Medas geradezu geschichtliche Bedeutung zu, da sie geeignet sei, das neue 
Italien in einem ganz anderen Licht als bisher erscheinen zu lassen. Die italienischen 
Katholiken hätten damit auf feierliche Weise die Notwendigkeit, sowie die nationale und 
sittliche Bedeutung des Krieges anerkannt und so gleichsam die Vereinigung ihrer reli 
giösen und nationalen Anschauungen vollzogen. Das bedeute aber eine wahre Revolution 
im nationalen Leben des italienischen Volkes; denn man wiffe, daß die italienischen 
Katholiken bis zum Mai 1915, wenigstens als Partei, die eifrigsten Anhänger jener 
Neutralität gewesen seien, die den Selbstmord Italiens bedeutet hätte. Sie seien es 
auch gewesen, die eine Zeitlang in Italien die Stimmung dem Krieg gegenüber in sehr
	        
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