Volltext: Der Völkerkrieg Band 13 (13 / 1918)

246 Rußland während des fünften Kriegshalbjahres 
glied des Reichsrates Fürst Galitzyn ist zum Ministerpräsidenten ernannt worden. Der 
Senator Kultschizkij ist mit der Führung des Unterrichtsministeriums betraut worden. 
Der Gehilfe im Ministerium des Aeußern Neratow ist zum Mitglieb des ReichSrates und 
der Gehilfe TrepowS, Krieger, zum Verkehrsminister ernannt worden. 
Wie dem Berliner „Lokalanzeiger" (11.1.17) aus Stockholm berichtet wurde, war die Umbildung des 
russischen Ministeriums nach russischen Blättern auf Vorgänge in den höchsten Kreisen zurückzuführen, 
die vornehmlich mit der Ermordung Rasputins (vgl. S. 248 f.) zusammenhingen. Die brutale Tat hat in 
den ausschlaggebenden Hofkreisen energische Opposition gegen die in die Regierung eingedrungenen 
Persönlichkeiten geweckt, die diesen Kreisen, den bestgehaßten in der Duma, nicht unmittelbar an 
gehören. Als ausschlaggebender Mann im umgebildeten Ministerium war Protopopow anzusehen. 
Die Kabinettsumbildung soll dementsprechend zurückzuführen sein auf den Empfang ProtopopowS beim 
Zaren am 1. Januar 1917 in ZarSkoje Sselo, dessen unmittelbare Folge die Uebergabe der Rasputin- 
Untersuchung an die Militärbehörde war. Im Zusammenhang damit erfolgte entgegen der Ge 
pflogenheit die Bestätigung ProtopopowS alS Minister ohne vorhergehende Verständigung TrepowS, 
der unmittelbar nach dieser Uebergehung bereits den Wunsch äußerte, zurückzutreten, um so mehr alS 
Dobrowolskij sogar gegen Trepows Willen zum Justizminister ernannt worden war. 
Nach „Rjetsch" wäre die weitere Regierungskrise höchst dramatisch verlaufen. Der Minister 
deS Aeußern PokrowSky, Unterricht-minister Jgnatiew, Handelsminister SchachowSkij und Finanz 
minister Bark begaben sich unmittelbar darauf gemeinsam nach ZarSkoje Sselo, um ihre Soli 
darität mit dem Ministerpräsidenten in allen Fragen deS Tages auszusprechen. Von diesem 
auffallenden Schritt erhofften die Minister, den Zaren von der Politik der starken Hand, die 
die Hoskreise propagierten, abzuhalten; gleichzeitig protestierte das Ministerkollegium gemeinsam 
mit Trepow gegen die Uebergabe der Untersuchung in Sachen Rasputin an die Militärbehörden. 
Die 4 Minister erklärten laut „Ruhkoje Slowo" ferner, sie bildeten eine Gruppe im Ministerrate, 
die nicht in allem mit Trepow übereinstimme, doch seien sie mit ihm darin einig, daß, solange 
Protopopow Minister des Innern bleibe, eine Zusammenarbeit der Regierung mit beiden gesetz 
gebenden Kammern unmöglich sei. Die Mitarbeit der gesetzgebenden Kammern sei aber in diesem 
wichtigen Augenblicke für die Erhaltung des inneren Friedens sowie für eine Bürgschaft für Erfolge 
auf den Schlachtfeldern unentbehrlich. Die öffentliche Meinung deS Landes reagiere stark auf jeden 
gegen die Reichsduma gerichteten Akt der Regierung, und jede noch so unbedeutende Unternehmung 
Ln diesem Sinne erhalte dadurch den Stempel des großen EreigniffeS. Jetzt ständen auf seiten der 
Reichsduma auch der Reichsrat und sogar der Rat des vereinigten Adels. Wenn diese drei, alle 
Klaffen und Stände Rußlands repräsentierenden Institutionen nicht als Vertreter der öffentlichen 
Meinung gelten sollten, so könne die Regierung in ihrer weiteren Tätigkeit sich überhaupt auf niemand 
mehr stützen. Alle Semstwos, StadtdumaS, Adelskreise, Großgrundbesitzer, Industrielle und Ver 
treter der Wiffenschaft sprächen sich unzweideutig für eine Aenderung des Kurse- in der inneren 
Politik auS und für eine Annäherung der Regierung an die gesetzgebenden Kammern. Solange die 
dieser Zusammenarbeit sich entgegenstellenden Hinderniffe nicht beseitigt seien, sei für die Regierung 
jede normale gesetzgeberische und Verwaltungstätigkeit unmöglich. Sollte dieser Standpunkt vom 
Zaren nicht geteilt werden, so ersuchen die 4 Minister um ihre Entlastung. Laut „Rußkoje Slowo" 
schloß sich der Chef der eigenen Kanzlei des Zaren, Tanejew, dem Standpunkt der 4 Minister an. 
Die Antwort des Zaren erfolgte fast unmittelbar. Trepow wurde auf den Abend des 9. Januar 
nach Zarskoje Sselo bestellt. Er gab zuerst Bericht über die Ermordung RasputinS und suchte dabei 
Protopopow anzuschwärzen, die dem Ministerium des Innern unterstehende Polizei habe die Person 
des Ermordeten nicht hinreichend geschützt. Trepows Ausführungen blieben jedoch eindruckslos. Der 
Zar teilte Trepow seinen Entschluß mit, alle protestierenden Minister auszuscheiden. Nach seiner 
Rückkehr berief Trepow in später Nachtstunde die Kabinettsmitglieder, denen er die allerhöchsten 
Beschlüsse mitteilte, worauf sein und Jgnatiews Rücktritt beschloffen wurde. 
Fürst Nikolai Dimitrijewitsch Galitzyn ist nach der „Kölnischen Zeitung" (17. I. 17), 
die ihre Angaben dem „Almanach zeitgenössischer russischer Staatsmänner" entnimmt, im März 1951 
geboren. Nachdem er das kaiserliche Alexander-Lyzeum in Petersburg besucht hatte, trat er 1871 
in den Dienst des Ministeriums des Innern und wurde noch im selben Jahre in den „Ausschuß für 
bäuerliche Angelegenheiten im Zartum Polen" beordert, 1873 Kommissar des Kreises Kolno im 
^Gouvernement Lomscha. 1679 zum Vizegouverneur von Archangel ernannt, wurde er 1882 Vize-
	        
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