Volltext: Der Völkerkrieg Band 13 (13 / 1918)

306 Italien und der Vatikan während des fünften Kriegshalbjahres 
überhaupt nicht zugegeben, daß diese Frage erörtert werde und als dann schließlich die 
italienische Regierung in Rücksicht auf die eigene öffentliche Meinung diese Erörterung 
erzwang, da stellte sich heraus, daß die Anzahl der österreichischen Kriegsgefangenen 
italienischer Nationalität, die geneigt war, sich von Rußland an Italien übergeben zu 
lassen, im ganzen 1700 betrug, darunter eine Anzahl Schwerverwundeter und Dienst 
untauglicher und vielleicht 1000, die durch die Hoffnung, aus Rußland fortzukommen, 
sich zu Versprechen verleiten ließen, in Italien Kriegsfreiwilligendienste zu nehmen. Vor 
allen Dingen aber hat Italien eine schwere Enttäuschung dadurch erlitten, daß tatsächlich 
Tausende von österreichischen Kriegsgefangenen italienischer Rasse in Rußland, die von 
einer eigens nach Rußland entsandten italienischen Militärkommission einzeln befragt 
wurden, sich als kaisertreue Oesterreicher erklärten und jede Befreiung um den Preis eines 
Eintrittes in italienische Kriegsdienste rundweg ablehnten. 
Am 9. Oktober 1916 trafen darauf aus dem festlich geschmückten Hauptbahnhos von 
Turin-Porta Nuova 2 Extrazüge ein, welche 1693, österreichisch-ungarische Gefangene, 
die aus Rußland kamen, als Geschenk des Zaren nach Italien brachten. Es waren durch 
weg österreichisch-ungarische Soldaten, die im Jahre 1914 bei der ersten russischen Offensive 
in Galizien in Gefangenschaft geraten waren und aus den österreichischen Provinzen 
italienischer Sprache stammten, nämlich Südtiroler, Küstenländer und Dalmatiner. „Nach 
Angaben der italienischen Presse waren die Gefangenen", wie ein Angehöriger der 
Zentralmächte in der „Neuen Zürcher Zeitung" (25. X. 16) ausführte, „durchweg begeisterte 
Anhänger des irredentistischen Ideals eines Groß-Jtaliens und wollten sich nunmehr als 
Freiwilligem den Reihen des italienischen Heeres aufnehmen lassen;nach anderen Berichten 
liegt die Sache so, daß man in Rußland den Leuten erzählte, ihre Heimatprovinzen seien 
von den Italienern besetzt und sie würden nunmehr, wenn sie es wünschen, in diese 
zurücktransportiert werden, worauf es dann aus der Reise, die über Archangelsk, Glas 
gow, Cherbourg ging, nicht an peinlichen Ueberraschungen gefehlt habe, als die Gefangenen 
erfuhren, daß ihre Heimat immer noch, nach wie vor, in österreichischer Hand sei! 
Wie dem auch immer sei und welche Version die richtige ist, das Bedenkliche liegt 
darin, daß Italien das russische Geschenk annahm, diese Gefangenen teils freigab, teils 
in sein Heer einstellte, ihnen also, noch während der Krieg fortdauert, ihren Charakter 
als Soldaten der österreichisch-ungarischen Armee absprach, und zwar nur daraufhin, 
weil die Eroberung der Heimat dieser Gefangenen zu den bisher vergeblich verfolgten 
Kriegszielen Italiens gehört!" 
Die finanziellen und wirtschaftlichen Verhältnisse 
Italiens im fünften Kriegöhalbjahr 
In der Sitzung der italienischen Kammer vom 14. Dezember 1916 gab Finanzminister 
Carcano ein Exposö über die Finanzlage Italiens. Hinsichtlich des Budgets bemerkte 
er, daß sich in dem am 30. Juni 1916 abgeschlossenen Rechnungsjahr die Effektivausgaben 
aus 10625 Millionen Lire beliefen, von denen 7365 Millionen auf eigentliche Kriegs 
ausgaben entfallen. Die Effektiveinnahmen betrugen 3734 Millionen oder 933 Millionen 
mehr, als vorgesehen war. Durch Eingehung von Schuldverpflichtungen wurden 6123 
Millionen ausgebracht. Das endgültige Defizit des Rechnungsjahres beträgt 768 Millionen. 
Für das laufende Rechnungsjahr (1. Juli 1916 bis 30. Juni 1917) war ein Defizit von 
3262 Millionen vorgesehen. Sämtliche ordentlichen und außerordentlichen Ausgaben seien 
dabei mitgerechnet, auch die Kriegsausgaben bis zum 30. November in Höhe von 4715 
Millionen; die Einnahmen seien mit peinlichster Vorsicht angesetzt. Zur Deckung des
	        
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