206 Die Ereignisse an der Ostfront im fünften Kriegshalbjahr
gröbsten Hindernisse beseitigt, die aufgefüllten, oft abgelösten russischen Regimenter sollte»
nun die schwache Postierung überrennen, Mitau nehmen, Kurland wiedererobern, kurz
gesagt: die Kriegswendung herbeiführen. Tüchtige Sibirier wurden angesetzt und zwischen
ihnen neue lettische Freiwilligenregimenter. Es war auch diesmal das alte Lied:
Erobert Euch „Euren angestammten Boden." Jeder, der tapfer kämpft, bekommt seinen
Lohn aus dem aufzuteilenden deutschen Grundbesitz. Und sie fochten tapfer und verbluteten
auf „ihrem" Boden.
Noch während der überfallartigen Artillerievorbereitung erschienen im dichten Schnee
gestöber die Russen an den deutschen Hindernissen. Das Flockenkleid schützte sie, viele trugen
zudem Schneehemden und waren im Nachtdunkel gar nicht zu erkennen. Aber die Posten
waren doch wachsam, Alarmsignale schrillen, Maschinengewehre setzen schon ratternd ein.
Am Brückenkopf von Dünhof, bei Kekkau, zwischen Tuckum und Schlok, überall am Tirul-
sumps wird plötzlich gekämpft. Handgranaten und Bajonette arbeiten. Aber die Land
wehrleute wehren sich tapfer ihrer Haut. Hamburger, Hannoveraner und Pommern halten
ihre Stellungen; Sperrfeuer der Artillerie hilft ihnen. Bald erkennt man, daß an den
beiden Flügeln der Brückenkopsstellung die Russen mehr demonstrieren, den Hauptstoß
zweier Korps aber im Zentrum ausführen, von Wisman etwa bis nach Olai. An drei
Stellen brechen sie hier im Morgengrauen des 5. Januar ein."
„Zunächst," wie Rolf Brand in seinen Berichten an die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung"
(17.1.17) und die „Tägliche Rundschau" (18.1.17) erzählte, „bei Buobai, an einer
gefrorenen Sumpfstelle im Wald. Ein deutsches Regiment warf mit Reservetruppen im
Nahkampf die Eingedrungenen aber sofort wieder hinaus. Alle neuen frontalen Angriffe
schlug die Truppe gleichfalls ab. Die Lust, nach Südosten aufzurollen, um die Straße
Mitau—Riga zu gewinnen, verging den Russen vor der Haltung des Regiments. Alle
weiteren Vorstöße von kleineren Abteilungen gegen diese Front, ebenso wie die Stöße
gegen den Brückenkopf von Dünhos, das Gelände von Kekkau und den Streifen nahe der
Küste, westlich von Schlok, wurden glatt abgeschlagen.
Es blieben am 5. Januar mittags nur noch die beiden anderen Einbruchsstellen süd
östlich und nordwestlich von Mangal. Die bei Mangal selbst stehenden Kompanien
hatten die etwas später einsetzenden frontalen Angriffe mit schweren Verlusten für die
Russen abgeschlagen, als die Meldungen von beiden Flügeln kamen, daß die Russen
durch seien und man bereits Flankenfeuer bekäme. Der älteste Kompaniesührer — ein
bekannter Breslauer Schauspieler — ließ daraus die Flügel ein wenig umbiegen. Er
holte sich seine Offiziere zusammen: „Man wird uns nicht im Stiche lassen. Wir haben
noch genug Patronen. Unter allen Umständen halten! Nachmittags um 3 Uhr kommen wir
wieder zusammen." Das Telephon nach Skangal rückwärts war noch in Ordnung.
„Wahrscheinlich wird Sie eine Sendung Munition noch erreichen. Die Russen nähern
sich von Südosten der Straße Diskup—Mangal." Bei einem Anruf, eine halbe Stunde
später, kam keine Antwort mehr. Inzwischen wurden neue frontale Angriffe abgeschlagen.
4 Uhr. „Wenn von Skangal Gewehrseuer anfängt, treten die Reserven in den Kampf."
Man hörte plötzlich anschwellendes Jnfanteriefeuer im Walde hinter sich. Dann wurde
es wieder still. Man zählte die Patronen. Es wurde 4% Uhr. Es war finster; später
war voller Mondschein. Die Schüsse aus den Flanken nahmen zu. Von Skangal her
war nichts mehr zu hören. Die Kompanien hatten sich schon unter dem seitlichen Druck
bei Mangal gesammelt. Durchbruch. Man kam gegen Skangal vorwärts. Eine russische
Abteilung kam aus einer Lichtung. „Ergebt euch! Hände hoch!" Die 25 Mann wurden
gefangen mitgeführt.
Inzwischen war ein Gardebataillon und andere Kräfte, zum Teil mit Kraftwagenkolonnen,
nach vorn gebracht und zu beiden Seiten der Straße Diskup—Mangal angesetzt worden.