120 Die Ereignisse an der Ostfront im fünften Kriegshalbjahr
Gefechte um einzelne Stellungen, die von der Stochodquelle bis zur Narajowka aus-
gefochten wurden, ohne die strategische Lage zu verändern. Doch hat man nicht den Ein
druck, daß Brusstlow auf die Fortführung seiner nun 5 Monate alten Offensive verzichtet
hatte, waS er auch nicht tun konnte, da er noch immer vor Kowel, Wladimir-Wolynfkij,
Zloczow, Brzezany und Halicz stand. Andererseits aber mußte er erwägen, ob er noch
genügende Kräfte besitze, um den Generalangriff nach kürzerer oder längerer, durch Teil
gefechte ausgefüllter Atempause wieder aufzunehmen und noch einmal vorzutreiben. Seine
Aussichten hatten sich von Tag zu Tag verschlechtert, die Krise, in der sich die deutsch
österreichische Front im Juni und in den ersten Julitagen 1916 befand, war längst beschworen,
jeder Teilerfolg, den Brussilow seither erkämpfte, durch seine Verluste weit überzahlt und
schließlich umgebogen worden. Da auch in den Karpathen die allgemeine Angriffstätigkeit
der Ruffen sich zersplitterte, ja sogar wichtige Einzelpositionen, wie der Smotree, wieder
hergegeben werden mußten, so zeigte sich, je länger je mehr, daß die unglückliche Lage
der Rumänen sich auf dem russischen Kriegsschauplatz auf das empfindlichste geltend
machte." (Stegemann im „Bund" 19. X. 16.)
Allmählich traten an der ganzen Ostfront Erscheinungen aus, die immer deutlicher aus
eine Ermattung der russischen Angriffskraft hindeuteten. Selbst als Rumänien in stärkster
Bedrängnis war, ist es der russischen Heeresleitung nicht möglich gewesen, ihre Armeen
noch einmal zu geschloffenem Generalangriff zu führen. Während sie im Süden nur
gegen die Armee des Grafen v. Bothmer stärkere Angriffe unternehmen konnte, mußte
sie sich auf dem Nordteil der Ostfront damit begnügen, bei Dünaburg, bei Smorgo»
und an der Schtschara zu demonstrieren. Ueber diese Kämpfe ist aus dem deutschen Großen
Hauptquartier (6. XII. 16) folgender zusammenfaflender Bericht veröffentlicht worden:
„Während an der siebenbürgischen Front der strategische Einbruch in die rumänische
Ebene angestrebt und durch die Besitznahme von Craiova mit einem entscheidenden Erfolg
gekrönt wurde, fanden weiter nördlich von den Waldkarpathen bis zum Rigaschen Meer
busen nur Kampfhandlungen von örtlicher Bedeutung statt, die zumeist der Stellungs
verbesserung galten.
Auf dem nördlichen Flügel der Heeresgruppe Eichhorn war die Gesechtstätig
keit verhältnismäßig gering. Die ungünstige, regnerische Witterung verwandelte dort
große Teile der Frontabschnitte in unwegsamen Morast. Die Gefechtshandlungen be
schränkten sich deshalb in der Hauptsache auf lebhafte Patrouillenkämpfe. Besonders
erfolgreich waren Unternehmungen unserer Patrouillen und Aufklärungsabteilungen
gegenüber Jakobstadt und am Brückenkopf von Dünhof, an der Stelle, wo die Ruffen
einen kleinen Teil des südlichen Düna-Ufers besetzt hielten. Hier waren die Ruffen be
sonders darauf bedacht, ihre Stellungen zu verbessern und die ihnen im Laufe des
Sommers entrissenen Gräben wieder zu gewinnen. In zahlreichen Patrouillenvorstößen
bis zu Kompaniestärke führten sie mehrere, durch Artillerie- und Minenfeuer vor
bereitete Angriffe aus, die ihnen nur Verluste, aber keine Erfolge brachten. Hingegen
wurden am 18. November die dortigen russischen Stellungen durch deutsche Artillerie und
Minenwerser erheblich beschädigt. Auch eine neue dort über die Düna geschlagene Brücke
wurde erfolgreich unter deutsches Feuer genommen. Auf dem äußersten linken Flügel
fanden an der Küste mehrfach Zusammenstöße mit feindlichen Jagdkommandos statt.
Auch hier glückte es den Russen nicht, irgendeinen kleinen Erfolg zu erzielen. Im
Rigaschen Meerbusen und am Südrande der Insel Oesel zeigten sich nach längerer Zeit
wieder russische Torpedoboote und größere Schiffe in Sicht deutscher Küstenbeobachtung.
Die Front der Heeresgruppe Woyrsch stand im Zeichen des Angriffes auf das
Gelände westlich und südlich des Skrobowabaches. Der sorgfältig vorbereitete, mit den
modernsten Kampf- und Nahkampfmitteln am 9. November durchgeführte Angriff einer