Volltext: Der Völkerkrieg Band 13 (13 / 1918)

Die innere deutsche Politik im fünften Kriegs Halbjahr 109 
bekämpfen. Man dürfe überhaupt in der Partei nur bleiben, um die Politik der Mehrheit aus 
Schritt und Tritt zu bekämpfen und um die Partei als Rekrutierungsfeld zu benutzen. 
In der schließlich angenommenen Resolution warf man dem Parteivorstand vor, daß er 
mit Gewaltmitteln die Partei auf die Politik des 4. August 1914 festlege, daß er die Un 
abhängigkeit und Selbständigkeit der Parteipresse verletze, und man forderte zum Schluß 
zur Agitation gegen dieses parteischädliche Verhalten des Vorstandes aus, wies aber die 
Beitragssperre als ungeeignetes Mittel zurück. Das Friedensmanifest der Parteioppofition, 
das von dieser Konferenz gleichzeitig beschlossen wurde, lautete: 
„Wir halten dafür, daß in allen kriegführenden Ländern für die sozialistischen Parteien die Zeit 
gekommen ist, von ihren Regierungen eindringlich die genaue Mitteilung der Ziele zu 
fordern, für die sie den Krieg führen; zu fordern, daß diese Ziele derart sind, daß fle für keines 
der betreffenden Völker eine Demütigung oder eine Schädigung seiner Existenzbedingungen bedeuten; 
daß die Sozialisten überall den Kampf gegen alle Parteien aufnehmen, die den Krieg über diese 
Ziele hinaus fortsetzen wollen. Als demokratische und internationale Partei steht die Sozialdemokratie 
auf dem Boden des Selbstbestimmungsrechts der Völker. Aber dieOpposttion innerhalb 
der deutschen Sozialdemokratie hat zu keiner der bürgerlichen Regierungen genügendes Vertrauen, 
um einer von ihnen die Misston der Befreiung der Rationalitäten durch den Krieg zuzu 
erkennen. Diese Aufgabe allseitig zu lösen, kann nur das Werk deS siegreichen Proletariats sein. 
Doch stehen wir der Freiheit und Selbständigkeit der Nationen in der bürgerlichen Gesellschaft 
keineswegs gleichgültig gegenüber. Wir müffen uns entschieden dagegen wehren, daß der Zustand, wie 
er vor dem Kriege bestand, durch diesen noch verschlechtert wird. Wir lehnen jede GebietS- 
veränderung ab, die nicht die Zustimmung der betreffenden Bevölkerung er 
hält. WaS die Internationale vor allem gemäß den Beschlüssen ihrer Kongreffe zu fordern hat, find 
internationale Abkommen über die Entscheidung aller Konflikte zwischen den Staaten durch Schieds 
gerichte und über eine allseitige Einschränkung der Kriegsrüstungen. Im Wettrüsten liegt eine 
der stärksten Wurzeln des jetzigen Krieges. Sie auszurotten ist die erste Vorbedingung dafür, 
künftigen Kriegen vorzubeugen. Hier ist die Möglichkeit vorhanden, über den Status quo vor dem 
Kriege hinauszugehen, einen Fortschritt zu erzielen für alle, ohne Benachteiligung irgendeine- der 
kriegführenden Teile." 
Der sozialdemokratischeParteiausschuß, also die Leitung der Parteimehrheit, 
sah diesen Beschlüssen der oppositionellen Reichskonferenz nicht untätig zu. Er erblickte 
darin ein bewußtes Hinarbeiten auf die Spaltung und erklärte, daß es nunmehr Ausgabe 
aller treu zur Partei stehenden Organisationen sei, dem unehrlichen Doppelspiel aller 
Parteiverführer ein Ende zu machen und die durch die Absplitterung der Sonderorganisationen 
erforderlichen organisatorischen Maßnahmen zu ergreifen. Dagegen protestierte die Arbeits 
gemeinschaft in einer längeren Kundgebung und bestritt, sich von der Partei getrennt zu 
haben. Dem Parteiausschusse, erklärte sie, stehe ebenso wenig wie einer anderen Körper 
schaft das Recht zu, ganze Parteiorganisationen oder einzelne Parteigenossen durch 
irgendeine Verfügung aus der Partei auszuschließen. Der Ausschluß aus der Partei 
könne nach dem Organisationsstatut nur durch ein Schiedsgerichtsverfahren erfolgen, deffen 
letzte Instanz der Parteitag sei. Die Kundgebung schloß jedoch mit der bezeichnenden 
Aufforderung: „Jetzt ist kein Tag zu verlieren, deshalb Parteigenossen schließt euch 
zusammen zur Wahrung unserer Rechte in den Parteiorganisationen." 
Rach dem Parteiausschuß nahm nunmehr auch der sozialdemokratische Partei 
vorstand in einem Aufruf an die Partei das Wort und drang aus Klarheit: 
„Wer fernerhin zur sozialdemokratischen Partei stehen und ihr die Treue halten will, der kann nichts 
gemein haben mit dem, was auf der Reichskonferenz der verschiedenen oppositionellen Gruppen 
beschlossen worden ist; eS muß jetzt Farbe bekannt werden. Die Genoffen und Organisationen, die 
sich mit den Beschlüssen der Reichskonferenz der oppositionellen Gruppe solidarisch erklären, können 
nicht gleichzeitig Mitglieder der sozialdemokratischen Partei sein oder bleiben. Das eine schließt 
das andere aus."
	        
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