Volltext: Der Völkerkrieg Band 13 (13 / 1918)

108 Das Deutsche Reich während des fünften Kriegshalbjahres 
Die Vorgänge m der Reichskonferenz wurden in der gesamten Presse lebhaft kommen 
tiert. Man stellte fest, daß die Beschlüsse gegen die Arbeitsgemeinschaft mit einer reichlichen 
Zweidrittelmehrheit gefaßt worden seien. Das sozialdemokratische „Hamburger Echo* 
fand in Haases Rede nur einen neuen Satz, nämlich den, daß die deutsche Sozialdemokratie, 
wenn fie Vorkämpserin der Internationale sein wolle, nicht fragen dürfe, was die anderen 
täten, sondern ihnen vorangehen müsse. Und das Blatt nimmt diesen Satz zum Anlaß, 
von der Rolle zu sprechen, die Haase in den letzten Julitagen 1914 im international 
sozialistischen Büro gespielt habe. Mitteilungen darüber seien in einer französtschen 
Broschüre enthalten, die in Deutschland nicht unbekannt geblieben sei. Danach habe Haase 
in jener Sitzung des international-sozialistischen Büros Erwartungen aus das Verhalten 
der deutschen Sozialdemokratie geweckt, die bei den Vertretern der anderen Länder große 
Freude hervorgerufen hätten, aber dann nicht im geringsten erfüllt worden seien. Wenn 
in den Entente-Ländern und bei den sozialdemokratischen Parteien der neutralen Staaten 
über die damalige Rede Haases im Sinne jener Mitteilungen berichtet worden sei, so 
wäre das eine Erklärung dafür, daß die Sozialdemokratie der feindlichen und der neu 
tralen Länder, nachdem die sozialdemokratische Partei in Deutschland die Kriegskredite be 
willigt hätte, fast einmütig über den „Verrat der deutschen Sozialdemokratie* getobt habe. 
Diese Dinge würden aber auch ein Licht aus die Gründe werfen, die Haase persönlich zu 
seiner Haltung bewogen hätten, und auf jene Aeußerung, die er auf der Konferenz getan habe. 
Nachdem die Anhänger der Fraktionsmehrheit in Groß-Berlin aus ihrer Zurückhaltung 
herausgetreten und zum Angriff gegen die Radikalen übergegangen waren, durste man 
erwarten, daß sie sich auf die Dauer den „Vorwärts* als Organ der Arbeitsgemeinschaft nicht 
gefallen lassen würden, um so weniger als der „Vorwärts* bislang als das Zentralorgan 
der Partei gegolten hatte. Mitte Oktober 1916 wurde der „Vorwärts* vom Oberkommando 
in den Marken auf mehrere Tage verboten, da er wieder einmal gegen Zensurvorschriften 
verstoßen hatte. Das Oberkommando stellte als Vorbedingung für das Wiedererscheinen 
des Blattes, daß eine Person gegenüber der Redaktion mit Vollmachten ausgestattet werden 
müsse, die der Militärbehörde die notwendigen Garantien für die Einhaltung bereits 
früher gegebener Zusicherungen biete. Die Verhandlungen des Parteivorstandes mit der 
Preffekommisston führten indessen zu keinem Ergebnis. Daraufhin sah sich der Partei 
vorstand, wie er in einer öffentlichen Erklärung betonte, gezwungen, dem Oberkommando 
zur Kenntnis zu bringen, daß ein Mitglied des Parteivorstandes in die Redaktion des 
„Vorwärts* eintreten solle, mit der Vollmacht, über den Inhalt des „Vorwärts* zu 
entscheiden. Alsdann wurde das Erscheinungsverbot vom Oberkommando aufgehoben 
und sofort machte sich auch der Geist der sozialdemokratischen Mehrheit in den Spalte» 
des Blattes bemerkbar. Die Arbeitsgemeinschaft machte gegen diesen Umschwung der 
Politik des „Vorwärts* mobil, veranstaltete zahlreiche Versammlungen, forderte ihre 
Parteigenoffen aus, das Blatt zu boykottieren und ein neues Parteiorgan zu gründen. 
Ansang Januar 1917 berief die Arbeitsgemeinschaft eine geheime Reichs 
konferenz nach dem Reichstagsgebäude,zu der mannur noch den Anhängern der „Spartacus- 
gruppe* (Gruppe Liebknecht, Rühle, vgl. S. 110 und XVI, S. 135) den Zutritt gewährte. Auf 
der Konferenz waren vertreten 19 Reichstagsabgeordnete und 138Delegierte aus 32 Kreisen, 
darunter 35 Mitglieder der Spartacusgruppe. Aus dem im „Vorwärts* über die Ver 
handlungen veröffentlichten Bericht ging hervor, daß die Arbeitsgemeinschaft in diesen 
Beratungen immer offensichtlicher auf eine Spaltung hinarbeitete. Der Kamps gegen 
die alte Fraktion, war unter anderem gesagt worden, müsse auf die Gefahr einer 
Spaltung hin mit allen Mitteln geführt werden. Man müsse die Beiträge sperren, 
selbständige Kandidaturen aufstellen, auf der Parlamentstribüne Massenaktionen treiben, 
die parlamentarische Friedensaktion aufgeben und die jetzige Politik der Gewerkschaften
	        
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