Volltext: Der Völkerkrieg Band 13 (13 / 1918)

296 Italien und der Vatikan während des fünften Kriegshalbjahres 
In der Sitzung der Kammer vom 7. Dezember 1916 erklärte Boselli zunächst zu dem 
Antrage Cappa und Genossen aus Geheimsitzungen der Kammer, daß die Regierung 
die Vertagung des Antrags um 6 Monate verlange Sie bestehe daraus, da ste sicher 
sei, in dieser Sache mit dem italienischen Volke einig zu gehen. Bei der namentlichen 
Abstimmung wurde denn auch die Behandlung des Antrags mit 293 gegen 47 Stimmen 
gemäß dem Wunsche Bosellis um 6 Monate vertagt. 
Daraus begann die Aussprache über die Erklärungen Bosellis, in der vor allem der 
Abgeordnete Modigliani die Regierungspolitik aufs grausamste zerpflückte, Sonnino 
vorwarf, daß er nicht einmal seine Kollegen im Ministerium in seine äußere Politik 
einweihe, und sich unter fortwährendem Beisall fast aller Parteien gegen die Schacher- 
Politik Englands wandte, das durch Runcimans Mund Italien erst die schönsten Ver 
sprechungen gemacht aber keine einzige gehalten habe. „Wir möchten doch misten, was 
England und Rußland uns für unsere Helsersdienste geben. Die Regierung verlangt nur 
immer neue Opfer, damit Sonnino das schwankende Schifflein Italiens in immer neue 
Abenteuer und Klippen, in immer neue Mißerfolge hineinführen kann." 
Gegen Schluß der Sitzung wurde eine Resolution der offiziellen Sozia 
listen verlesen, in der die Regiemng aufgefordert wird, sich bei den Regierungen der 
Alliierten für die dringende Notwendigkeit einzusetzen, durch Vermittlung der Vereinigten 
Staaten und der anderen neutralen Länder die Zusammenberusung eines Kongresses 
bevollmächtigter Vertreter der kriegführenden Länder zu dem Zwecke zu veranlassen, 
nach Einstellung der Feindseligkeiten die konkreten Ziele und einmütig anerkannten 
Forderungen der kriegführenden Parteien behufs baldmöglichster Lösung des Streits 
zum Heile Europas zu prüfen. Hierzu führte der Ministerpräsident Boselli unter 
lebhaftem allgemeinen Beisall aus: 
„Indem die Kammer die Erklärungen der Regierung erörterte, trat sie bereit- vollständig in 
die Beratung der Friedensfrage ein; die Regierung kan« in keiner Weise die Freiheit dieser Be 
ratungen ausdehnen oder beschränken, aber die Resolution der Sozialisten würde notwendigerweise 
zu einem Beschluß führen, der in diesem Augenblicke unzweckmäßig sein würde, da die Kammer 
ebensowenig wie für eine» voreiligen und unsicheren Frieden gegen eine» Frieden stimmen kann. 
Die in der Resolution dargelegten Grundsätze sind zweifellos des Lobes würdig, aber wir misten 
nicht, ob diese Grundsätze von den Mittelmächten anerkannt und angenommen werden. Ueberdies 
muß man auch den leisesten Verdacht ausschließen, daß Italien, daS keinen Sonderfrieden will, sich 
von der Seele und den Bestrebungen seiner Alliierten getrennt habe. Die Kammer darf keine 
Wünsche äußern, die auch nur im allergeringsten de« Eifer unserer Kämpfer schwächen und die Tat 
kraft deS Landes verringern könnten. Man kann nur den Sieg beschleunigen. Dies bedeutet, den 
Frieden beschleunigen. Nur auf diese Weise wird der Frieden dauerhaft sein. Nur auf diese Weise 
wird Italien sich zum sicheren Herrn seines ganzen Gebiets und seines Meers machen. Auf diese 
Weise wird die Grundlage für die Politik Europas wahrhaft fest sein, den» sie beruht nicht auf 
Verträgen, sondern auf dem Grundsatz der Nationalitäten. ES ist der Sieg, der den Frieden sichern 
muh. Wenn die Resolution aus diesen Beweggründen aufrecht erhalten wird, schlage ich die Ver 
tagung ihrer Beratung auf 6 Monate vor." 
Turati und Treves bestanden auf der sofortigen Beratung. Der Resormsozialist 
Marchesano trat für die Vertagung ein. Deno unterstützte ebenfalls die Vertagung 
und erklärte: „Die Resolution ist eine Falle für die Stärkung des feindlichen Wider 
stands. Die italienische Kammer darf sich dazu nicht hergeben." Die Kammer beschloß 
darauf mit 293 gegen 47 Stimmen auch die Beratung des sozialistischen Friedensantrages 
nach dem Wunsche der Regierung um ein halbes Jahr zu vertagen. 
Nach viertägiger Besprechung der Regierungserklärungen, in der unter heftigen An 
griffen aus Cadorna auch der Fall des Generalstabsobersten Douhet (vgl. S. 299 f.) zur 
Sprache gekommen war und der Abgeordnete Treves (Sozialist) nochmals Englands
	        
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