Volltext: Der Völkerkrieg Band 13 (13 / 1918)

Die innere deutsche Politik im fünften Kriegshalbjahr 99 
Regierung ließ den Vereinigten Staaten eine Note überreichen, in der zunächst an die 
deutsche Friedensbereitschaft angeknüpft wurde, die von den Gegnern abgelehnt sei. 
Dadurch sei eine neue Sachlage entstanden, die auch Deutschland zu neuen Entschlüssen 
zwänge. Seit zweieinhalb Jahren mißbrauche England seine Flottenmacht zu dem frevel 
haften Versuch, Deutschland durch Hunger zur Unterwerfung zu zwingen. Die deutsche 
Regierung würde es vor ihrem eigenen Gewissen, vor dem Deutschen Volk und vor der 
Geschichte nicht verantworten können, wenn sie irgendein Mittel unversucht ließe, das 
Ende des Krieges zu beschleunigen. Sie müsse daher die Beschränkung fallen lassen, 
die sie sich bisher in der Verwendung ihrer Kampfmittel zur See auferlegt habe. Im 
Hauptausschuß des Reichstages begründete dann der Reichskanzler diesen über 
raschenden Schritt. „Die Frage des U-Bootkriegcs*, sagte er unter anderem, „hat, wie 
die Herren sich erinnern werden, diesen Ausschuß dreimal beschäftigt. Im März, im 
Mai und im September vorigen Jahres. Ich habe jedesmal den Herren in eingehenden 
Darlegungen das Für und Wider der Sache vorgetragen, ich habe mit Nachdruck daraus 
hingewiesen, daß ich jedesmal pro tempore sprach, nicht als grundsätzlicher Anhänger 
oder grundsätzlicher Gegner der II-Boote, sondern in Erwägung der militärischen, 
politischen und wirtschaftlichen Gesamtsituation. Immer von der Prüfung der Frage 
ausgehend: Bringt uns der uneingeschränkte U-Bootkrieg dem siegreichen Frieden näher 
oder nicht. Dieser Zeitpunkt,* fuhr er fort, „ist jetzt gekommen. Im vorigen Herbst war 
die Zeit noch nicht reif, aber heute ist der Augenblick gekommen, wo wir mit der Aussicht 
auf Erfolg das Unternehmen wagen können. Einen späteren Zeitpunkt dürfen wir aber 
auch nicht abwarten. Was hat sich geändert? Die Zahl unserer U-Boote hat sich gegen 
das vorige Frühjahr sehr wesentlich erhöht; damit ist eine feste Grundlage für den Erfolg 
geschaffen. Dann der zweite mit ausschlaggebende Punkt, die schlechte Weltgetreideernte. 
Sie stellt schon jetzt England, Frankreich und Italien vor ernste Schwierigkeiten. Wir 
haben die feste Hoffnung, diese Schwierigkeiten durch den U-Bootkrieg zur Unerträglichkeit 
zu steigern. Auch die Kohlenfrage ist eine Krise, eine Lebensfrage. Sie ist schon jetzt, 
wie Sie wissen, in Italien und Frankreich kritisch. Die U-Boote werden sie noch kritischer 
machen. Noch gesteigert werden die Schwierigkeiten unserer Feinde durch die Zunahme 
der feindlichen Frachtraumnot. Hier hat die Zeit und auch der Kreuzerkrieg der U-Boote 
dem entscheidenden Schlag vorgearbeitet. Unter der Frachtraumnot leidet die Entente 
in allen ihren Gliedern. Dürfen wir so jetzt die positiven Vorteile des uneingeschränkten 
U-Bootkrieges sehr viel höher einschätzen als im vorigen Frühjahr, so sind gleichzeitig 
die Gefahren, die uns aus dem U-Bootkrieg erwachsen, seit jener Zeit gesunken.* Der 
Reichskanzler erörterte daraus eingehend die politische Lage und erklärte: „Der Feld 
marschall Hindenburg hat mir vor wenigen Tagen die Lage wie folgt bezeichnet: Unsere 
Front steht auf allen Seiten fest. Wir haben überall die nötigen Reserven. Die Stimmung 
der Truppen ist gut und zuversichtlich. Die militärische Gesamtlage läßt es zu, alle 
Folgen auf uns zu nehmen, die der uneingeschränkte U-Bootkrieg nach sich ziehen könnte. 
Weil dieser U-Bootkrieg unter allen Umständen ein Mittel ist, um unsere Feinde auf 
das Schärfste zu schädigen, muß er begonnen werden.* 
Die Friedensströmungen 
Die große rednerische Propaganda, die der „Deutsche Nationalausschuß* (vgl. XVI, 
S. 117) zu Beginn des dritten Kriegsjahres in ganz Deutschland eingeleitet hatte, war letzten 
Endes nicht von dem Erfolg gekrönt, den man sich ursprünglich davon versprochen hatte. Man 
hatte gehofft, die Ansichten über die Kriegs- und Friedensziele unter der Bevölkerung zu 
klären und sowohl die annexionistischen Kreise aus der einen, wie die pazifistischen Kreise 
auf der anderen Seite zur Revision ihrer Anschauungen auf einer mittleren Linie zu veran
	        
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