Volltext: Der Völkerkrieg Band 13 (13 / 1918)

96 Das Deutsche Reich während des fünften Kriegshalbjahres 
sein müsse. Zch war empört über diese Verdächtigung, die zum erstenmal in so greifbarer Form 
mir entgegentrat und zwar aus dem Munde eines Mitarbeiters des Auswärtigen Amtes." 
Nach längerem Hin und Her endete der Prozeß mit einem Vergleich, in dem Pro 
fessor Valentin sämtliche beleidigenden Aeußerungen, die er in der Preßpolemik gegen 
Professor Coßmann gemacht hatte, zurücknahm. 
Als der Kampf gegen den Reichskanzler seinen Höhepunkt erreicht hatte, setzte eine 
Gegenströmung ein, die nicht nur in der Presse, sondern auch in öffentlichen Kund 
gebungen für Herrn von Bettmann Hollwcg Stellung nahm. Die Zeitungen der Linken 
deuteten an, daß die wahren Beweggründe der Kanzlergegner weniger der Unterseeboots 
streit als die vom Kanzler versprochene innerpolitische Neuordnung sei. Der 
„Vorwärts", das Zentralorgan der sozialdemokratischen Partei, forderte den Reichstag 
auf, „gründlich hineinzuleuchten" in das Treiben unserer „Staatserhaltenden", die 
zwar stets bei der Hand seien, unter Hinweis auf den Burgfrieden jede Regung der 
Demokratie zu unterdrücken, die aber nicht das geringste Bedenken trügen, im Interesse 
ihrer Ziele die heftigsten Stürme und Wirren im Innern zu entfesseln. Nicht ganz so 
weit ging das Zentrum, in dessen Reihen das Wort gegenüber dem Kanzler fiel: „Nicht 
stürzen, aber auch nicht stützen". Selbst die führenden nationalliberalen Blätter begannen 
allmählich einen dicken Trennungsstrich zwischen stch und den Kanzlergegnern, zu ziehen. 
Das „Leipziger Tageblatt" stellte fest, daß die gesamte führende nationalliberale Presse 
mit verschiedenen Ausnahmen energisch von diesem Treiben abrücke, das in den schweren 
Zeiten, die jetzt unser Volk durchmache, zerrüttend und die notwendige Einigkeit zer 
störend wirken müsse. Und ein angesehenes Mitglied der nationalliberalen Partei, 
Justizrat Henrich in Folklingen, sandte an den Parteiführer Ernst Bassermann eine 
gedruckte Denkschrift, in der er sehr scharf mit den Nationalliberalen ins Gericht ging, 
die sich in die Front der Kanzlergegner eingereiht hätten und auf die innerpolitischen 
Zusammenhänge der „Junkerpartei" in ihrem Vorgehen gegen den Reichskanzler hin 
wies. In Magdeburg sprach der nationalliberale Abgeordnete Schiffer gegen die 
Kanzlersronde und für den Reichskanzler und brachte dabei folgendes zustimmendes 
Schreiben des Generals Ludendorff an ihn zur Verlesung: 
„Daß es gewaltiger Leistungen bedarf, um die Hoffnungen zuschanden werden zu lasten, die unsere 
Gegner mit ihren gleichzeitigen, außerordentlichen Kraftanstrengungen auf allen Fronten verbinden, 
läßt sich nicht bestreiten. Aber wir werden es schaffen, wenn das deutsche Volk in Einig 
keit und Vertrauen hinter uns steht und stch und das Heer nicht zermürbt in Streitigkeiten 
über die Zweckmäßigkeit der Mittel und Wege zum Erfolge. Wenn in gewissen Fragen dem Fern 
stehenden ein Programm zu fehlen scheint, so ist damit nicht bewiesen, daß es wirk 
lich fehlt. Ich bitte Euer Hochwohlgeboren, nicht müde zu werden, indem Sie zu Einigkeit und 
Zuversicht mahnen." 
In gleicher Weise äußerte sich die nationalliberale Partei Badens gegen die Kanzler 
hetze, desgleichen eine Kundgebung der führenden Kreise der Stadt Karlsruhe; darin 
hieß es unter anderem: „Wir beklagen und verurteilen die offenen und versteckten 
Treibereien, die Schädlinge sind an den Wurzeln der geschlossenen sieghaften Kraft des 
deutschen Volkes." Auf ein Huldigungstelegramm an den Kaiser wurde den Karlsruhern 
in einem Schreiben aus dem Zivilkabinett mitgeteilt, daß der Monarch von der Kund 
gebung „mit lebhafter Befriedigung Kenntnis genommen" habe. Endlich protestierte 
auch eine Versammlung hervorragender Vertreter von Kunst, Wissenschaft, Handel und 
Industrie in Leipzig gegen die Agitation wider den Reichskanzler. Geheimrat Pro 
fessor G ö tz, der Nachfolger des Historikers Karl Lamprecht an der Leipziger Universität, 
nannte es in einem Artikel, der sich mit dem „Volksausschuß zur raschen Niederkämpfung 
Englands" beschäftigte, tief beschämend, daß man rein militärische Fragen mit Volksaus 
schüssen ihrer Lösung entgegenzuführen suche.
	        
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