Volltext: Der Völkerkrieg Band 13 (13 / 1918)

292 Italien und der Vatikan während des fünften Kriegshalbjahres 
bedenklich an Vieh zu mangeln, der einst so lohnende Absatz nach Deutschland und 
Oesterreich fiel aus, das Gespenst des Hungers zeigte sich am Horizont. Ein Zustand, 
der auch für Sizilien galt. Zu alledem kamen für ganz Italien der hinreichend bekannte 
furchtbare Kohlenmangel mit seinen schweren finanziellen Folgen und die beginnende 
Getreidenot. Noch bis März 1917, hieß es, reichen die Vorräte aus. Dann werde 
Italien aus die Zufuhr aus Amerika angewiesen sein, das selbst knapp daran war. 
Die Regierung, die das alles wußte, die auch fürchtete, daß das Volk sich besinnen 
könnte, bediente sich nach wie vor der Mittelchen, die sonst nur despotischen Regierungen 
eigen find. Auf der einen Seite wurde das Volk durch Verschweigen der Wahrheit, durch 
Hymnen aus die Heldentaten des eigenen Heeres, durch die ewige Litanei vom nahen, 
gänzlichen Untergange der Zentralmächte in einer Dauerpsychose erhalten. Auf der 
anderen Seite wurde jede freie Meinungsäußerung oder Kritik aufs schärfste verfolgt. 
Der doppelte Terror von Polizei und Piazza (Kriegspöbel) schüchterte tatsächlich jeden 
Bürger ein, und doch lag es greifbar in der Luft, daß trotz aller Preßbetörung das 
italienische Volk längst erkannt hat, wie es nur ein Opfer ist, ein Opfer der Entente, 
insonderheit Englands. Gewiß, man haßte Oesterreich, aus Tradition; man haßte jetzt 
aber auch England. Die Reue über eine falsche Politik erklärt die sich fieberhaft folgen 
den Versuche vieler Politiker (zuletzt noch Nittis), den Abfall von Deutschland als ele 
mentare und unwiderstehliche Notwendigkeit der historischen Entwicklung darzustellen. 
Die noch ganz unter dem Einflüsse und Druck der Verbündeten flehende Regierung frei 
lich wollte von solchen Rechtfertigungsversuchen nichts wissen, sondern klammerte sich nach 
wie vor an den Strohhalm von Hoffnungen, an deren Erfüllung sie im Ernste selbst 
nicht glaubte. Dabei hetzte sie ihre Presse vom „Carriere" bis zu den Piazzakläffern 
immer wieder und wieder gegen die alten Verbündeten, und selbst das oben erwähnte 
„führende Organ" entblödete sich nicht, von Deutschland als der „Bestie" zu sprechen! 
Nur die künstliche Aufstachelung der Kriegsleidenschasten, des unsinnigen Hasses, kann 
ja die große Rechenschaftsablegung hinausschieben, welche die Regierung erwartet, wenn 
sie dereinst ohne Triest, Trient, Dalmatien und Kleinasien (!) heimkehren wird. 
Aber der Krieg, die „bolla guerra“, will ihre Nahrung. Zuerst hatte man dem Volke 
vorgespiegelt, die Zollerträge von Triest würden gewissermaßen genügen, die bescheidenen 
Eroberungsauslagen zu decken. Ein so kurzer, spielend leichter Krieg, der eher ein mili 
tärisches Sportfest, ein lorbeerbekränzter Ausflug über die Grenze sein würde, konnte 
doch unmöglich die Staatsfinanzen stärker in Anspruch nehmen. Und außerdem stand ja 
die finanzielle Hilfe Englands zur Verfügung. Aber wie es im menschlichen Leben so 
häufig geht, man hatte sich auch diesmal verrechnet, und jetzt hieß es: in den Beutel 
greifen und wieder greifen, wenn man „mit Ehren" bestehen wollte. Hierzu stellte der in 
all dem Tohuwabohu vernünftig gebliebene „Popolo Romano", der bei Kriegsbeginn so 
loyal war, die künftigen Geschlechter Italiens als Opfer dieses Wahnsinns zu bedauern, 
eine sehr lehrreiche Betrachtung an. „Vor dem Kriege (schrieb der „Popolo") 
hatte Italien ein Budget von 2% Milliarden, wovon Vs Milliarde allein für die Jnter- 
effen der konsolidierten Staatsschuld abging. Falls der Krieg noch bis Herbst 1917 
dauert, gesellen sich den bisherigen Staatsschulden noch weitere 25 Milliarden zu, und 
die öffentliche Schuld (ohne die der Provinzen, Gemeinden usw.) steigt von 15 auf etwa 
40 Milliarden, wofür statt wie bisher Vs Milliarde in Zukunft IV4 Milliarde Zinsen 
zu bezahlen sind! Hierzu kommen mindestens 250 weitere Millionen für Pensionen, für 
Kriegsschäden usw. und endlich neue Aufwendungen für Heer und Flotte. Italien hat 
dann Jahresausgaben in der Höhe von 4Vs Milliarden, also 2 Milliarden mehr als 
bisher, wovon aber nur Vs Milliarde durch neue Steuern gedeckt ist. Es werden folglich 
noch IVs Milliarden auszubringen sein, was durch neue Steuern undenkbar ist."
	        
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