Volltext: Linzer Hessen

Zaschingsende und Zastenanfang am Vunajec 1914/15 
flus den krinnerungen eines estemaligen Landsturminfanteristen im Infanterieregiment 14 
von fllois Lridrich 
Ungcfästr Mitte vezember 1914 wurde von unseren Trup¬ 
pen nach schweren Kämpfen der vunajec bei wojnic; erreicht, 
vamit wurde dieser Lluß für Monate der Träger des Schicksals 
abertausender Soldaten der österreichisch-ungarischen, reichs- 
deutschen und russischen fjeere. Vas Wort ..vunajec" — früher 
von wenigen je gehört — liat sich den Menschen, die es als 
Krieger kennenlernten, unauslöschlich ins Gehirn gegraben bis 
zum Lebensende, mochten sie es finden an den Ufern dieses 
Llusses oder sonstwo im Kriege oder mögen sie diesen über¬ 
standen staben. 
wenn wir plönkler vom Vunajec an istn denken, dann 
vermeinen wir wieder die furchtbare költe zu empfinden, die 
uns in den vöchten an seinen Ufern den Leib erstarren liest 
bis zum Kerzen; wir denken an das leidige wasserschöpfen 
aus dem Llusse, das durch die gegenüberliegenden sibirischen 
Schüsten zur Lebensgefastr wurde. Ver oft so widerliche Seruch 
der Leldküchen steigt auf, den wir empfanden, wenn wir 
uns — zu später Nacht — von weiß Sott woster die karge 
Menage stolen mußten, die wir dann erkaltet zu uns nastmen. 
wir erinnern uns der Kämpfe, Seplönkel, patrouillgönge 
und des postenstestens am rauschenden Wasser, an das 
Sraben und Schanzen, an die ermüdenden Märsche in die 
zumeist elenden guartiere. wir vergessen auch nicht der 
zastliosen Läuse, die uns tröst der Kälte quälten und gegen 
die wir einen vergeblichen Kampf füstrten. Vas wenige 
schöne Sedenken, das uns geblieben ist, gilt dem Vewusttsein, 
unter stärtesten Umständen mannstast durchgestalten zu staben, 
und gilt der Kameradschaft, die wir an jenem galizischen Zlusse 
ebenso fanden wie überall, wo österreichische Soldaten im 
Leide standen. 
Vie Zeiten zogen dastin wie die Eisschollen, die in den 
wogen des vunajec istr klirrendes Wanderlied sangen. 
flm Laschingsonntag nachmittags klang unvermutet aus 
einem Unterstand fröstlich eine Mundstarmonika in Länd¬ 
lern und Walzern. Ver Tag mußte gefeiert werden so gut 
es ging, obwostl der Baum im Unterstand so eng war, daß 
die drei Männer, die er besterbergte, kaum Platz statten 
nebeneinander zu sitzen. Sejuchzt wurde wie auf einem rich¬ 
tigen Tanzboden. Tee wurde gebraut, Speck ausgelassen und 
darin Zwieback nochmals gebacken, fjeiß gegessen, schmeckte 
das vorzüglich und wurde „Laschingskrapfen" genannt. 
flm flbend gab es dann eine andere, schauerliche „Musik": 
ein Vuell der beiden flrtillerien. Va sausten die Sranaten 
durch die Lust und zerschlugen die Unterstände, ven Sranaten 
folgten Schrapnells und spien istre kugeln nieder, flm rechten, 
stügeligen User waren am flbstang gestaffelt die russischen 
Stellungen, am linken, flachen Ufer unsere Sräben. Dadurch 
war unsere Lage von Natur aus schlechter. 
wo immer man in diesen Laschingstagen in Stellungen und 
Quartiere kam, spielte eine Mundstarmonika — beim Train 
sogar eine Zieststarmonika — und sterrschte sröstliche Stim¬ 
mung wie dasteim, wo zu der Zeit im Lrieden die Burschen mit 
istren Instrumenten jauchzend durchs vors zogen. 
flber auch das flrtilleriefeuer stielt an, wurde immer 
stärker. Solange ein Lichtschimmer am Himmel war, krachten 
die Kanonen, schossen dort und da weit stinter die Stellungen 
in die Quartiere. wästrend ein Bekrut noch ein fürwitziges 
Palmkätzchen, Las an einer schneefreien Lestne im erstarken¬ 
den Sonnenlicht schimmerte, als „Lriedenspalme" anschmach¬ 
tete, statten es die erfastrenen Lrontsoldaten längst steraußen, 
daß es bald wieder bitter krnst werden würde mit dem Krieg. 
flm Laschingdienstag nachts mußten wir denn auch an die 
Kriegsbrücke steranmarschieren, die die Pioniere bei Vlszgni 
über den vunajec schlugen. Vach langem gab es wieder 
gerustsames Quartier und den Tagzeiten gemäße gute Menage. 
■Dienstfrei, dursten wir im Vrte umstergesten. flber die froste 
Zaschingsstimmung war verflogen. Lrnst und schweigsam sann 
jeder vor sich stin, dachte, was wostl die nächsten Tage bringen 
werden, und dachte — steim. 
Unzästlige Soldaten säst man da in Vlszgni, und schier 
jeden von istnen zog es in das Sottesstaus. Und als der 
Pfarrer die Sebete des flschermittwoch über seine Semeinde 
sprach, da beugten auch wir das knie und ließen flsche streuen 
auf unser Haupt: „Sedenke, daß du aus Staub bist und 
wieder zu Staub werden wirst!" Schwer legten sich die Worte 
des Priesters am Tage vor der Schlacht auf unser Semüt. 
keiner wußte, ob sie sich nicht gerade an istm gar bald er¬ 
füllen würden. 
Kur; nach Mitternacht mußten wir anderntags auf der 
durch brennende Holzstöße und Lackeln erleuchteten Kriegs¬ 
brücke den vunajec übersetzen, voch waren wir von der 
gedankenschweren stummen Lrgebensteit, mit der der Soldat 
seinem Schicksal entgegengestt befangen. Voch als wir dann 
— schon schweißdampfend — durch das Ufergestaude dem 
Lluß entlang gingen und uns die ersten verirrten kugeln 
umschwirrten, waren wir bald beim Zeug. Munteren Sinnes 
schwärmten wir auseinander, krarelten auf fluslug eine 
Böschung stinan, und mit einem fidelen „fje, Moskali!" riefen 
wir ein paar Bussen, die sich früstzeitig aus dem Staub 
gemacht statten und übergelaufen waren. 
Voch auch diese Stimmung stielt nicht lange an. Bald 
statte uns die furchtbare veroenzange der Schlacht gepackt, 
ließ uns nicht mestr los, zerrte an uns, machte den Schädel 
glüsten, die Vstren dröstnen, die flugen und die Lippen brennen, 
oft den Magen erzittern und augenblickslang das Her; stille 
stesten. über 4g Stunden waren wir allen Sreueln der Ver¬ 
nichtung ausgeliefert. 
vie flrtillerien wüteten, die Maschinengewestre rasten, die 
Infanterie arbeitete sich vor. Tote und verwundete nastmen 
zu. Voch der Erfolg blieb uns versagt. 
So kam die vacht. Lingraben! Line starte flrbeit mit 
„Büstung um" auf dem steinstart gefrorenen, steilen Berg¬ 
rücken! Za nicht schlafen, stöchste fllarmbereitscstaft! Bingsum 
flackerten brennende Däuser zum Himmel. Unaufstörlich krach¬ 
ten die Seschosse. Unser braver koch statte mit der Leldküche 
und istrer Bespannung daran glauben müssen, fllso nichts zum 
Essen, und — noch schlimmer — das Bauchen verboten. 
voch este der nächste Morgen Schußlicht gab, ging der 
Kamps mit neuer Kraft los. Zwischen unserer vordersten Linie 
und der etwas stäster gelegenen, festen russischen Stellung 
lag eine Mulde, die im Laufe des Tages zu einer wastren 
Stampfmüstle des Todes wurde. Vie Buffen gingen aus istren 
Schanzen nicht steraus. flber unsere Leute mußten angreifen, 
mußten durch die Mulde, in die ununterbrochen die flrtillerie 
fetzte. Vie Maschinengewestre mälzten ganze Schwarmlinien 
nieder. Mein Kompagniekommandant fiel, von sieben kugeln 
durchbostrt. 
Trotz allen feindlichen Widerstandes erreichten Teile unserer 
Truppen den vordersten Bussengraben, voch der flngriff 
drang nicht durch. Segen flbend wurde er eingestellt, wieder 
stieß es eingraben. Zeder zweite Mann mußte auf Posten 
sein, und auch die anderen durften wie in der vornacht 
nur in voller Büstung sitzen und nickten so ein wenig ein. 
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