Die digitale Landesbibliothek Oberösterreich

Industriellen Frankreichs, daß man auf eine stärkere Anterstützung 
durch die eigene Finanzkrast verzichte. Wir haben es hier mit einer 
sehr interessanten Parallele zu jener Erscheinung in Frankreich zu 
tun, die man als Rationalisierung des Geschlechtstriebes bezeichnen 
könnte: ebenso, wie man dem einzigen Sohn oder der einzigen 
Tochter keine Konkurrenten geben will, so verzichtet man darauf, 
den vorhandenen Anternehmungen neue, heimische Wettbewerber 
zu schaffen. Auch der Mangel eines Kleinkredits kann der Oligarchie 
nicht zum Vorwurf gemacht werden. Dieser Mangel liegt letzter 
Land in dem im tiefsten Grunde undemokratischen Charakter des 
französischen Volkes begründet und dann in dem Fehlen an eigener 
Initiative in kooperativer Richtung hin. Das Königtum, die 
Revolution und die beiden Kaiserreiche haben im Franzosen den 
Unternehmer erstickt, um den reinen Citoyen zu schaffen, der mit so 
und so viel staatlichen Rechten ausgestattet ist und der alles Leil 
vom Staate erwartet. Dieser Prozeß der Umformung des Fran¬ 
zosen zum abstrakten Bürger erreichte in der dritten Republik 
ihren Löhepunkt; die „Wiedergeburt" und der französische Syndi¬ 
kalismus stellen die ersten Symptome der Reaktion gegen das 
Endprodukt dieses Prozesses dar. 
Ebenfalls zu der Verquickung von Finanz und Auslandpolitik 
trug die nicht minder scharfe, besonders von monarchistischer Seite 
aus kommende Kritik an der Auslandpolitik Frankreichs 
überhaupt bei. Eine demokratische Republik sei einer zielbewußten 
Politik nach außen hin gar nicht fähig, behaupteten die Feinde 
des republikanischen Regimes, und die echten Republikaner, wie 
etwa Sembat in seinem Buch: .Paites un roi, sinon kaltes 1a 
paix", waren der gleichen Meinung, ohne aber diesem Mangel 
mehr Bedeutung als dem eines Schönheitsfehlers der Republik 
zuzuschreiben. Getreu ihrem Programm von Ranzig aus dem 
Jahre 1907 wollte die „herrschende" Partei Frankreichs „in 
Sachen der äußeren Politik und der Bündnisse ... dem Frieden 
unbedingt ergeben sein, in einem herzlichen Einvernehmen zu allen 
Völkern stehen und alle militärischen Expeditionen, die auf Erwerb 
von Kolonien abzielten, befehden" ... Die Ohnmacht dieser 
„herrschenden" Partei springt hier wiederum in die Augen, die 
finanzielle Oligarchie betrieb bekanntlich eine sehr großzügige 
Kolonialpolitik (anfangs nur der Geschäfte wegen und nicht im 
eigentlichen imperialistischen Sinne), und dies gerade mit Beihilfe 
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