Wendigkeit, daß die Eigenart des deutschen Geistes sich bewahrt
und bewährt in der Welt und dem engeren Kreise der aus tiefem
Kriege in die gemeinsame Zukunft schreitenden Völker. Denn die
Gemeinsamkeit unserer Zukunft muß der Ertrag des Krieges sein;
wir wissen jetzt, daß auf dem Wege des Friedens durch den
Willen unserer Feinde die Idee „Mitteleuropa" nicht hat ver-
wirklicht werden können.
Der Geschichte des Mitteleuropagedankens und ihrer Lehre
gilt diese Schrift (nur Bausteine und Grundlinien kann und will
sie hierzu liefern).
Nicht um Mitteleuropa als geographischen Begriff, auch nicht
um die Geschichte des als Einheit betrachteten Staatengebietes
handelt es sich, sondern um die Feststellung des Ursprungs dieser
Idee, um die Geschichte ihrer Ausbildung als bewußter Gestaltung
im Kopfe politischer Denker. Es ist also ein Stück deutscher
Geistesgeschichte, und zwar der Geschichte der politischen Ideen,
das wir zu entrollen haben. Die Geschichte Mitteleuropas hat
nur als .Hilfsmittel für unsere Arbeit zu dienen, sie hat den
Rahmen abzugeben und die Verbindung herzustellen.
Die Frage nach dem Ursprung der Idee „Mitteleuropa"
hängt ab von einer allgemeineren geschichtlichen Feststellung, seit
wann ein Mitteleuropa in dem Sinne vorhanden war, daß die
in ihm lebenden Völker und vorhandenen Staaten überhaupt die
Möglichkeit hatten, sich als Einheit und Eigenheit zu empfinden
und sich darin gegen Osten und Westen abzugrenzen, und seit
wann infolge dieses Prozesses die Sonderbildung Mitteleuropas
unter den politischen Druck der umliegenden Welt gestellt wurde,
der die Hoffnung und den Wunsch aufkommen lassen konnte, ihm
durch die Stärke der inneren Geschlossenheit zu begegnen.
In den Zeiten des kaiserlichen Rom lag Mitteleuropa am
Rande der damaligen Welt; nicht nur die völlige Einbeziehung
des geographischen Bezirks von Mitteleuropa in die Weltherr¬
schaft und den Kulturzusammenhang Roms mißlang, sondern mit
dem Zerfall der alten Welt lösten sich diese Gebiete auf Jahr¬
hunderte von den Zentren des politischen Lebens und tauchten in
den Nebeln der Völkerwanderung unter. Eine germanische Tat,
die Zertrümmerung Westroms, steht am Anfang einer europäischen
Geschichte. Erst Karl der Große schob die Grenzen seines Reiches
in das Gebiet des heutigen Mitteleuropa vor, er gliederte die
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