europas Vergangenheit und Zukunft, seine Bedeutung für die
Menschheit steigt, in die Glut der Begeisterung gehüllt, vor dem
Auge des Lesers empor (vgl. Äirzel, K. CH. Plancks Ideen über
Deutschlands geschichtlichen Beruf, Seminarprogramm, Arach
1894):
Seit Anfang seiner Geschichte hat das deutsche Volk im
Gegensatz zu anderen Völkern keinen bloß nationalen, sondern
einen universellen, religiös-sittlichen Beruf, verkörpert im Kaiser¬
tum. Das Äberwiegen des Idealen (Kaisertum und Reich) führte,
während sich die anderen Nationen zu geschloffener Einheit er¬
hoben, zum allmählichen Verfall des alten Reiches. Die Re¬
formation, die größte Tat der deutschen Geschichte, stellt das
Opfer der Einheit und Kraft des besonderen nationalen Daseins
des deutschen Volkes an die höhere allgemeine geistige Entwick¬
lung dar. Der Widerstreit zwischen dem universellen Kaisertum
und diesem innerlichen Streben des deutschen Geistes fügte zur
politischen Zerklüftung des Reiches noch die religiöse. Rein
menschliche Leistungen, vornehmlich in Wissenschaft und Kunst,
namentlich in Dichtung und Philosophie, zeigen zu Anfang des
19. Jahrhunderts die Lebenskraft des deutschen Geistes. Der Vor¬
bote des politischen Aufschwungs ist Friedrich der Große. Aber
selbst die Freiheitskriege führten nicht zu nationaler Einigung.
Der Gegensatz zwischen diesen hohen, rein menschlichen Leistungen
und der politischen Schwäche ist nur eine Form des Dualismus
zwischen Universellem und Nationalem, der die ganze deutsche
Entwicklung durchzieht. Die klassische deutsche Dichtung ist eine
Vorläuferin der Amgestaltung auch des nationalen Lebens Deutsch¬
lands. Die Verbindung des Strebens nach nationaler Einheit
mit dem seit der französischen Revolution entwickelten allgemeinen
Freiheitsbegriff läßt den Einheitsgedanken nicht zum Sieg kommen.
In Preußen und Österreich haben wir die beiden entgegengesetzten
Seiten der Bestimmung Deutschlands vor uns: den nationalen
Beruf in Preußen, den internationalen in Österreichs Völker¬
bund, d. h. die Bestimmung des deutschen Geistes zum einigenden
Mittelpunkt der europäischen Nationen.
Beides muß für immer vereint werden in dem einen zur
einigenden Mitte bestimmten (vom Geiste des Rechtsberufes ge¬
tragenen) Reiche deutscher Nation. Von dem Glauben beherrscht,
daß die nationale Einigung Deutschlands sich auf friedlichem
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