Volltext: "Mitteleuropa" [92]

geändert. Er bleibt ihr durch sein Leben in allen einzelnen Unter¬ 
nehmungen und politischen Gedanken treu. Nicht anders ist der 
Rat an Ludwig XIV. zu verstehen, Ägypten zu erobern: er 
wollte Frankreichs Drang zur Ausdehnung von Mitteleuropa 
auf koloniale Möglichkeiten ablenken. 
Großzügiger treten uns Leibniz' politische Gedanken in der 
zweiten, kurz darauf gleichfalls auf Boyneburgs Veranlassung 
entstandenen Schrift vor Augen: „Bedenken, welcher Gestalt 
securitas publica interna et externa und status praesens im 
Reich jetzigen Amständen nach auf festen Fuß zu stellen" (1670). 
Bei der politischen Zersplitterung des Reiches war die weltpoli¬ 
tische Situation des Jahres 1670 besonders gefährlich. Zwar 
waren Frankreichs feindliche Absichten zunächst gegen Lolland 
gerichtet. Aber das Reich konnte dem Schicksal Lollands nicht 
teilnahmlos gegenüberstehen. Doch glaubt Leibniz vom Eintritt 
in den gegen Frankreich sich wehrenden nordischen Dreimächte¬ 
bund: Lolland, England und Schweden, „ein zerbrechlich Rohr", 
Deutschland abraten zu müssen. Deutschland kann durch sich selbst 
stark genug nach außen werden, wenn es sich im Innern befestigt. 
Die Einigung der Reichsstände, die Deutsche Allianz, muß voran¬ 
gehen. Ein beständiges Reichsheer, ein Reichsdirektvrium, ein 
Reichsschatz müssen folgen. Auch das staatsrechtliche Programm 
von Leibniz ist bundesstaatlich, nicht einheitsstaatlich gerichtet. 
Denn im Reichsdirektorium soll der Kaiser nicht als solcher, 
sondern nur durch seine Erblande, Böhmen und Österreich, ver¬ 
treten sein. Leibniz glaubt aber nur auf diesem Wege die tätige 
Mitwirkung der Reichsstände für die Interessen des Reichs sichern 
zu können. Er strebt damit eine wirklich starke Bundesverfassung 
an, die nicht durch die Rivalitäten von Kaiser und Ständen in 
ihrer Aktionsfähigkeit beschränkt oder gar aufgehoben werden 
könne. In der Kraft dieser Bundesverfassung hat Leibniz auch 
in seinen späteren Schriften nie aufgehört, die Gewähr für den 
Bestand des Reiches zu finden (vgl. des Caesarinus Furstenerius 
„Traktat über der deutschen Fürsten Supremats- und Gesandt¬ 
schaftsrecht"). Ein kräftiges Leben des Reiches und damit der 
Mitte Europas sah Leibniz als eine europäische Notwendigkeit 
an: „Gewißlich, wer sein Gemüt etwas höher schwinget und 
gleichsam mit Einem Blick den Zustand von Europa durchgehet, 
wird mir Beifall geben, daß diese Allianz eines von den nütz- 
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