Volltext: "Mitteleuropa" [92]

mann vom 6. April 1829), sind im Mittelalter das Lerz der 
Welt, wir sind die Träger welthistorischer Ideen, die Erben uni¬ 
versaler Güter. Nord und Süd schließen durch uns den großen 
Bund, durch den die Einheit der weltgeschichtlichen Entwicklung 
erhalten blieb. In den Römerzügen des Mittelalters erhielten 
sich und wuchsen die seelischen Werte der deutschen Eigenart, 
die durch den Begriff „Innerlichkeit" gekennzeichnet wird: Weite 
des Blicks durch Weite des Weltbildes, Sehnsucht und Aben¬ 
teurerlust, Ehrgefühl und Kampfeslust; deutsche Phantasie bildete 
sich an antiker und romanischer Form. Immer aber blieb deutsche 
Eigenart gewahrt. Damals legten wir den Grund, ein Weltvolk 
zu werden. Der universale Charakter der deutschen Kultur ist 
ohne die Kaiserzeit undenkbar; das ist ein Ergebnis von entschei¬ 
dender Wichtigkeit für die inneren Möglichkeiten Mitteleuropas. 
Anv schon im Mittelalter sollten die Deutschen Gelegenheit 
und Veranlassung haben, die Eigenart ihrer Kultur zu verteidigen 
und als Licht in die Dunkelheit des Ostens vorzutragen. Unter¬ 
suchen wir nicht die Mittel der Kolonisation, die, der Zeit ent¬ 
sprechend, hart und gewaltsam gewesen sein mögen. Die Tatsache 
bleibt bestehen, daß durch die kolonisatorische Arbeit der Deutschen 
im Mittelalter die Angarn und die Westslawen, Kroaten, Mähren, 
Tschechen, Wenden, Polen, Preußen und Litauer für Europa dem 
Osten abgerungen, und zwar sogleich in die Einheit des mittel¬ 
europäischen Lebens eingefügt wurden. Denn es gab damals noch 
nicht eine große westeuropäische Kultur, von der die deutsche nur 
einen Teil ausmacht, sondern das kulturelle Zentrum Europas lag 
seelisch bei uns. Das ist der innere Sinn der mittelalterlichen, 
etwa hundert Jahre nach Friedrich Barbarossa erscheinenden For¬ 
mulierung vom „Äeiligen Römischen Reich Deutscher Nation". 
Das doppelte Ergebnis des Mittelalters in unserem Zu¬ 
sammenhänge ist also, daß die Grundlagen seiner kulturellen Eigen¬ 
heit und Einheit geschaffen wurden, die politischen Einigungs¬ 
möglichkeiten aber an der Zersplitterung des deutschen Kernlandes 
scheiterten. 
Wie traurig und blutig mußte Mitteleuropas Geschichte 
werden, sobald die Staaten und Völker des Westens ihren Willen 
gegen Deutschland richteten und im Osten eine eroberungslustige 
Macht hochkam. And das geschah durch ein Verhängnis des 
Schicksals fast gleichzeitig. Das Mittelalter hatte noch die Kreuz- 
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