Volltext: Mappe IV: Montenegro und Albanien (Mappe 4 ; / 1917)

26-30 N gunenrepublik abzuführen. So waren es vor allem Wollwebereien, Filigranarbeiten 
und Goldstickereien, darin Skutari hervorragte; doch auch in der harten Kunst 
des Waffenschmiedes war man wohl erfahren in der alten Skipetarenstadt. Die 
einzelnen Konfessionen vertragen sich ziemlich gut in ihr, wenn auch die Sitte 
der Blutrache bis auf den heutigen Tag noch nicht dort ausgestorben ist. Ein 
Erzbischof ist der Seelenhirt der Katholiken, die unter den christlichen RelL 
gionen weitaus die größte Zahl einnehmen. Jesuiten/- und Franziskanernieder.- 
lassungen mit Schulen sorgen für die Heranbildung der Jugend. Die Katholiken 
besitzen außer der Kathedrale noch mehrere Gotteshäuser. Ihr und der ortho^ 
doxen Christen Rayon — den letzteren gehören zwei Kirchen an — ist streng 
von dem mohammedanischen Viertel geschieden, das eine Welt für sich bildet, 
unverändert und undurchdringlich seit Jahrhunderten. 
Schon 168 vor Christus geschieht das erstemal Skutaris Erwähnung bei dem 
Kriege, den die Römer gegen den dort residierenden Illyrerkönig Gentius führten. 
Seitdem wechselte die Stadt oft ihren Herrn. 395 kam sie als Hauptstadt der 
Provinz Praevalis an Ostrom. Die Slawenstürme während der byzantinischen 
Epoche haben sie häufig hart heimgesucht. Des Serbenzaren Stefan Duschan Reich, 
die stärkste Machtentfaltung, die dieser Staat in seiner ganzen Geschichte bisher 
erlebte, und von deren Wiedergeburt er bis in die letzte Zeit seines Bestandes 
träumte, einen Traum, dem zuliebe er sich in Verbrechen und Krieg stürzte, 
besaß auch Skutari und damit die Pforte zum Meer. 1395 streckte Venedig seine 
Hand nach der Albanerstadt aus, doch es sollte sich nicht lange ihres Besitzes 
freuen, denn nach fünfjähriger heldenhafter Verteidigung durch einen Sproß der 
Dogenfamilie Loredan fiel Skutari in die Hände der Osmanen, die es als 
„Ischkodra" zur Hauptstadt eines Sandschaks erhoben. Der „bellum Scodrense“ be^ 
fruchtete auch die zeitgenössische italienische Literatur; eine Dichtung des Poeten 
Merula verglich ihn mit der Belagerung Trojas. Man sieht daraus, daß d'Annunzio 
ähnliche Vorgänger in seinen Bardengesängen vom Mare Nostro hatte. 
Die Stellung als Hauptstadt einer Provinz wahrte Skutari eine gewisse Un/ 
abhängigkeit, die es sich immer mehr zu erweitern bestrebte. Dreimal bis zu 
Ende des vorigen Jahrhundertes mußte der Diwan gegen die unbotmäßige Stadt 
Felde ziehen, zuletzt 1835, wo sie einem vernichtenden Bombardement nach 
zu 
wie 
wahrhaft verzweifelter Verteidigung erlag. Erst der Balkankrieg sollte hierin, 
in dem gesamten europäischen Machtbesitz der Osmanen die große Veränderung 
bringen. Und es ist wie eine ironische Fügung der Weltgeschichte, daß diesem 
Generalsturm wider die Türkei eine ihrer unzuverlässigsten und von der Residenz 
weitest entfernten europäischen Städte die hartnäckigste und längste Gegenwehr 
leistete. Im Weltkriege räumten es die Serben, die diesen „Korridor bis zum 
Meer“ bis zuletzt halten wollten, erst am 23. Jänner 1916, als Montenegro bereits 
bedingungslos die Waffen gestreckt hatte und damit jede weitere Gegenwehr 
aussichtslos geworden war. Hoffen wir, daß die Stadt, die durch Natur und Lage 
gleich begünstigt ist, unter der trefflichen k. u. k. Verwaltung einer 
reichen und friedlichen Zukunft entgegengeht.
	        
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