Volltext: Mappe II: Durch Galizien (Mappe 2 ; / 1916)

Lauf zu lassen. Auch in den Reihen unserer Streiter wird es vereinzelte Indi¬ 
viduen gehen, die in der Erbitterung und im Blutrausch des Kampfes zu ver/ 
dammenswerten Roheiten sich hinreißen lassen. Aber sicherlich sind derlei Eie/ 
mente in den Reihen unserer Armee selten, und die Heeresleitung wacht strengstens 
darüber, daß Ausschreitungen gegen wehrlos gewordene Feinde nicht stattfinden. 
Insbesondere was die Behandlung verwundeter, hilflos auf dem Schlachtfeld 
verbliebener Gegner anlangt, zeigt sich die österreichisch/ungarische Armee in 
allen ihren Teilen auf der Höhe einer ritterlichen Streitmacht. Unsere Sanitäts/ 
Soldaten schleppen, ihrer Sicherheit nicht achtend, jeden Verwundeten, den sie 
erreichen können, aus der Feuerzone, gleichviel oh er eine österreichisch/ 
ungarische oder eine feindliche Uniform trägt. Unsere freiwilligen Helfer und die 
Mannschaften, die nach getaner Schlachtarbeit die Walstatt ahsuchen, machen in 
ihrer Hilfstätigkeit keinen Unterschied zwischen Freund und Feind. Die gleiche 
Sorgfalt, die gleiche Güte, die gleiche Kameradschaftlichkeit wird den eigenen 
Verwundeten wie denen des Gegners zuteil. Man darf es ohne Übertreibung 
behaupten: die heilige, im Kriege doppelt heilige Samariterpflicht findet nirgends 
treuere Erfüller als in der österreichisch/ungarischcn Armee. Unser Blatt 45, die 
zufällige Aufnahme einer Szene, wie sie das Schlachtfeld in Fülle bietet, gibt 
ein typisches Bild von der Art, wie unsere Soldaten verwundete Feinde behandeln. 
Um den einen verwundeten Russen sind fünf Mann bemüht. Mit einer fast zärt/ 
liehen Sorgfalt betreuen sie den Verletzten; der Ernst, die Aufmerksamkeit, die 
Teilnahme, die sie dem mildtätigen Geschäft widmen, ist in ihren Gesichtern 
deutlich ausgeprägt. Es ist mehr als fraglich, ob den verwundeten Russen, wenn 
sie von ihren eigenen Leuten aufgelesen werden, eine gleich behutsame, 
schonungsvolle und, soweit die Hast der Arbeit dies zuläßt, auf 
Reinlichkeit und Asepsis bedachte Hilfe zuteil wird, wie sie 
ihnen von unseren braven Soldaten widerfährt. 
LAZARETT IM SCHLAFWAGEN. 
Der Krieg ist eine harte Schule für Seele und Gemüt, in der man lernt, 
nicht wehleidig zu sein. Für Sentimentalität und philantropische Ideale ist wenig 
Platz vorhanden, wenn der Waffenlärm tobt und wenn alle Kraft, aller Geist, 
alles Denken, alles Wirken der Völker und Nationen nur dem Einen gilt: der 
Abwehr des Feindes. Die Seele muß die Regungen des Mitleids im Inneren 
verschließen, muß sie aufsparen für ruhigere Zeiten, für Zeiten des Wiederauf/ 
baues, der Weltgenesung. Wenn Gewalt mit Gewalt ringt, ist Menschenliebe 
als wirkendes Prinzip wohl ausgeschaltet; aber sie ist nicht verloren gegangen, 
sie lebt weiter ein stilles Dasein, abseits von den Ereignissen, die der Welt Ge/ 
schicke bestimmen. Menschenliebe wendet sich mit allen ihren Empfindungen 
denen zu, die im Kampf der entfesselten Energien krank und wund geworden 
sind an Seele und Körper. Menschenliebe war es, die all die großen und immer 
noch wachsenden Institutionen geschaffen hat, die sich die Pflege der Beschä/-
	        
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