Volltext: Mappe I: In den Karpathen (Mappe 1 ; / 1916)

Nachmittags, um 4 Uhr, kam ein Bataillon des Infanterieregiments Nr. 39 
mit der Feldbahn in Kelcse an, unter Führung seines Kommandanten Oberst' 
leutnants Klein. Teils bestand es aus wiedergeheilten Soldaten, teils aus neu' 
ausgebildeter Mannschaft, die nun zusammen in die ferne grollende Schlacht 
zogen. Der Erzherzog, der ihnen begegnete, hieß sie sofort Rast machen und 
Rüstung ablegen. Freundlich lachend sah er ihnen dabei zu und mit ihm auch seine 
Begleitung, Stabschef Oberstleutnant Wilhelm Eisner-Bubna und Husarenober' 
leutnant Julius von Detrich. Dann sprach er den Kleinsten, Unscheinbarsten 
von allen an, fragte ihn gütig nach Heimat, Familie und Beruf. Diesen Augen¬ 
blick stellt das Bild dar. Rot vor Freude antwortet der kleine Soldat und seine 
schmale Knabenbrust, die aber für die Tapferkeitsmedaille breit genug war, 
dehnt sich stolz. Neben ihm warten die anderen, ganz glühend, daß Joska apank, 
ihr Väterchen Joseph, sie anreden wird. Und als er nun zu ihnen kommt, sehen 
sie ihm gerade und fest in die gütestrahlenden Augen. Sie wissen, daß er es 
liebt, wenn man ihn offen anschaut, denn der Soldat mit einem ehrlichen 
Herzen darf auch dem Kaiser fest ins Auge blicken; das ist eines braven Kriegs¬ 
volkes Recht und Pflicht. Der Erzherzog spricht sie an und sie antworten 
ihm kurz und kernig, wie es Kriegern ziemt. Vor dem hohen Herrn gäbe es 
auch keine Lüge oder Verstellung; das spüren sie. Ihm könnten sie alles ruhig 
anvertrauen, wie dem Priester daheim. Wer je eine Beschwerde hätte, sich ge¬ 
kränkt fühlte oder eine Bitte auf dem Herzen trüge, der weiß, daß er alles un' 
gescheut dem Erzherzog vortragen darf, und Recht und Erfüllung, wofern seine 
Gründe sich richtig erweisen, sind ihm gewiß. Das Väterchen Joseph hat für 
die Leute draußen fast schon die legendenumwobene Volkstümlichkeit seines 
Urahnen Kaiser Joseph II. erworben. Die Mütter der Pußta, alte knochige 
Bauernweiber, fragen in zittrig geschriebenen, oft tränenverwischten Briefen 
persönlich bei ihm um das Ergehen ihrer Söhne an; Kinder bitten sich von 
ihm Wünsche für den geliebten Vater aus, Geschwister und Gattinnen wenden 
sich ohne Scheu an ihn — und er hilft dann auch, soweit es nur irgendwie 
möglich ist. Zahllos sind die Schreiben solcher Art, die er täglich empfängt 
und erledigt, denn die wenige freie Zeit, die ihm bleibt, opfert er dieser Sorge. 
So ist er für die Seinen ein wahrhafter Vater, dem keine Liebe heiß genug für 
die Güte danken kann, die unaufhörlich aus seinem wundervollen Herzen strömt. 
* * 
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Der Erzherzog sagte dem Bataillonskommandanten, dessen Mannschaft er 
eben so huldvoll ins Gespräch gezogen hatte, sein herzliches Glückauf. Rasch 
standen die Tausend wieder ausgerichtet. „Bataillon marsch!“ Und hinein ging 
es in den Wald, der dumpf grollenden Schlacht entgegen. Wehmütig nach¬ 
denklich hatte der hohe Herr ihnen nachgesehen, als ein unerwartetes Ereignis 
seine ganze Aufmerksamkeit beanspruchte. Wieder wirbelte das gleiche kriege'
	        
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