Volltext: Mappe I: In den Karpathen (Mappe 1 ; / 1916)

Flucht, ihre vordersten Brüder im Stiche lassend. Was von denen in unseren 
Gräben war, blieb tot oder gefangen. So waren ihrer wieder 850 festgenommen. 
Die braven Neununddreißiger verschnauften mit fliegenden Lungen. Aber, o Gott, 
irgendwo hatte es einer gesehen, ein Gedränge herum; Unglück hat schnelle 
Boten; der Oberst war unter den Toten! Traurig hingen die treuen Köpfe, 
manch einer murmelte ein Sterbegebetlein für den mutigen Oberst im Nachhinein. 
Nun aber fort mit seinem irdischen Teil, jetzt und jetzt konnten die Russen 
wiederkommen, sie durften den Oberst nie und nimmer haben. Der Totenzug 
war bald formiert; von der Sanität eine Bahre, den Toten drauf, eine Winter^ 
decke tränenden Auges und behutsam darüber gebreitet. Vier gefangene Russen 
müssen die heilige Last heben, ein paar Mann vom Regiment besorgen die 
Bedeckung und die 850 Gefangenen folgen als Totengeleite des Siegers. Zwei 
Meldereiter vom 7. Husarenregiment übernahmen unterwegs die Führung. — 
Grablegung der Tapferkeit! 
Das Bild zeigt den traurigen Zug auf dem Wege nach Mmye^vagäsa, dem 
Standort des Korpskommandos. Wo immer er passierte, wurde empfunden, was 
nachher der Armeekommandant zu seltener Soldatenehrung des toten Obersten in die 
schlichten Worte kleidete, die dennoch leuchten wie lauteres Gold: „Indem 
ich mich vor dem Heldentum des Gefallenen in Bewunderung neige, 
erweise ich ihm die Ehrenbezeugung der ganzen Armee.“ 
MORGENSTIMMUNG IN DEN KARPATHEN. 
In den ersten Monaten des Jahres 1915 wurde von keinen großen oder 
bedeutenden Schlachten berichtet. Der Kampf wurde verhältnismäßig ruhig, mit 
zäher, lärmloser Verbissenheit geführt; das Echo der Gefechte drang nicht wie 
sonst bei den großen Ereignissen ins Hinterland. Eine täuschende Ruhe. Es 
war wie die anscheinende Unbeweglichkeit zweier kraftvoller Ringer, deren Körper.' 
energien ungefähr ebenbürtig sind, die sich fest umschlungen halten und im 
Übermaß ihrer Anstrengungen erstarren. Aber im Innern dieser Erstarrung arbeitet 
ohne die Pause einer Sekunde das ganze physische und geistige Vermögen der 
beiden. Ihre Hände sind Eisenklammem, ihre Muskel sind angespannteste Kraft, 
ihr Gehirn ist tätigste List und Strategie; der Beschauer jedoch sieht nur die 
kaum leicht hin und her schwankenden Konturen der gekrümmten Leiber. So 
ungefähr war unser Kampf vor der großen Entscheidung, die Galizien befreien 
sollte. Das Resultat ist bekannt. Mit einem gigantischen Ruck lösten wir uns 
aus der Umklammerung des Gegners, packten ihn und warfen ihn zu Boden, 
daß er blutend, hinkend und todesschwach vom Schauplatz verschwand. 
Jenes Frühjahr war eine bange Zeit. Ohne entscheidende Gefechte zu liefern, 
ohne uns zu Schlachten zwingen zu können, blieb der Russe uns ein stetiger 
Druck voll dumpfer Gefahr. Wie die Ringer Handgriffe wechseln, einmal den 
Gegner beim Fuß, einmal beim Arm, einmal beim Schenkel und einmal im 
Nacken fassen, so stand der Kampf und wechselte nur in hunderterlei Versuchen, 
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