Volltext: Der Kampf um Livland

Die Erneuerung des deutsch-russischen Kampfes um Livland 89 
Türkei; Peter aber rüstete sich alsbald nach Poltawa für die Eroberung 
von Livland zur dauernden Angliederung an Moskau. 
Mit dem Beginn des Winters 1709 erschien Peter selbst bei 
dem Heere vor Riga. Die Belagerung dauerte vom 14. November 
bis zum 4. Juli des folgenden Jahres. Lebensmittelmangel, ein hef 
tiges Bombardement und schließlich eine reißend um sich greifende 
Seuche führten am Ende die Abergabe herbei. Die Kapitulation, von 
den militärischen Bedingungen abgesehen, geschah nicht nur mit der 
Stadt, sondern auch mit der livländischen Ritterschaft, deren Ver 
treter in Riga mit eingeschlossen worden waren, für das ganze Land. 
Dem Zaren lag daran, Livland nicht als eine eroberte, auf Gnade 
und Ungnade unterworfene Provinz an sich zu bringen, sondern unter 
ausdrücklicher Einwilligung des Landes und durch Vertrag mit ihm, 
so wie es einst zur Ordenszeit an Polen und darnach von Polen an 
Schweden gekommen war. Deshalb bestätigte auch Peter in allen Stücken 
das Privilegium Sigismund Augusts. Diese Urkunde bildete zunächst 
den Generalpunkt der Kapitulation; danach folgten noch besondere 
Abmachungen über die unverrückte Erhaltung der evangelischen Reli 
gion Augsburgisäher Konfession, das Kirchenregiment, das Schulwesen, 
die Universität, den Landesstaat, das heißt die ritterschaftliche Ver 
fassung, die Rechtspflege durch Iustizbeamte deutscher Herkunft und 
die Vorrechte des Adels in Kriminalsachen. Wenige Monate später 
fiel auch Reval, und Estland erhielt dieselbe Bestätigung seines deut 
schen Rechts, wie Livland. Bekannt ist die Erzählung, wie Peter 
auf dem alten Reväler Ordensschloß, aus irgendwelcher Ursache einen 
Augenblick mit seiner Unterschrift unter die Konfirmation der alten 
Rechte des Landes zögernd, vom estländischen Landrat Gustav von 
Mengden angeredet wurde: wenn er das Versprochene nicht halten 
wolle, so möge er nicht unterschreiben — und wie er darauf die kraft 
voll-stolze Antwort gab: „Bei Gott, ich werde es halten!" Der Grund, 
der ihn in der livländischen Sache zu dieser Politik bewog, war die 
ausgesprochene Abneigung verschiedener europäischer Mächte, ihn im 
Besitze Livlands zu wissen. König Friedrich Wilhelm I. von Preußen 
wollte ihm wohl Petersburg und Ingermanland lassen, Livland aber 
nicht, und nachdem Peter gegen Unterstützung der preußischen An 
sprüche auf Pommern halbwegs mit Preußen einig geworden war, 
trat ihnl England, dessen König Georg I. zugleich Kurfürst von Hannover 
war, in den Weg, indem es als seine Politik verkündigte: „der Zar 
sollte weder sein Kommerzium etablieren, noch viel weniger eine Flotte 
in der Ostsee haben!" Da sich aber Preußen und der Kaiser weigerten, 
etwas für die Durchführung des englischen Willens gegen Rußland 
zu tun, und England selbst sich nicht entschließen konnte, allein im
	        
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