Volltext: Illustrierte Geschichte des Balkankrieges 1912 - 13 Zweiter Band (Zweiter Band / 1914)

82 
Eine neue Nede poincarSs. 
□□ 
versäumt, wenn wir nicht alle Anstrengungen 
gemacht hätten, um den Balkanvölkern den 
mörderischen Krieg zu ersparen. 
Der Ministerpräsident erinnert an seine im 
ständigen Einvernehmen mit England und Ruß 
land gemachten Bemühungen, wobei die 3 Mächte 
trachteten, ein allgemeines Konzert der euro 
päischen Mächte vorzubereiten. Ich halte es 
für überflüssig zu sagen, das) wir es als unsere 
elementare Pflicht erachtet haben, unseren Ver 
bündeten tatsächliche und tätige Freundschaft zu 
beweisen. Unser Zusammenwirken, das sich auf 
alle Details erstreckte, ist durch den Scharfblick 
und die Mäßigung, von welcher der russische 
Ministerpräsident Kokowzew soeben wieder einen 
unleugbaren Beweis geliefert hat, in hervor 
ragender Meise erleichtert worden. 
Unsere Beziehungen zu England sind nie ver 
trauensvoller, nie inniger gewesen. Es hatte den 
Anschein gehabt, als ob ein Teil der franzö 
sischen öffentlichen Meinung unter gewissen Um 
ständen gefürchtet hätte, das) die englische Re 
gierung in ihren Beziehungen zu den anderen 
Mächten eine Politik befolge, die nicht in voll 
kommener Übereinstimmung mit der unsrigen 
wäre. Die Aufrichtigkeit der englischen Regie 
rung gestattet uns nicht, diese Befürchtungen zu 
teilen. 
Staatssekretär Grey hat Mert darauf ge 
legt, spontan zu erklären, das) diese Befürch- 
tungen durch nichts begründet seien. Mir haben 
den Gang der Ereignisse in voller Meinungs 
übereinstimmung mit unseren Verbündeten und 
Freunden beobachtet. 
Der Ministerpräsident fuhr sodann fort: Der 
Versuch, den 5tstus quo ausrecht zu erhalten, 
war nicht umsonst, da diese Initiative Frank 
reichs alle Mächte Europas in derselben fried 
lichen Absicht näher brachte. Kein Balkanstaat 
hat die Tragweite der Desinteressentenklausel 
verkannt. Alle waren uns dafür dankbar, keiner 
dachte, das) Frankreich, England und Rußland 
ihre Interessen auf dem Balkan preisgaben, 
Frankreich gibt seine Interessen, die ich vor der 
Kommission für auswärtige Angelegenheiten 
aufgerollt habe, nicht auf. Mir werden nicht 
daran rühren lassen. 
Ich bin berechtigt, zu sagen, daß seit An 
fang Rovember Frankreich offiziell davon ver 
ständigt war, daß Österreich-Ungarn keine Ge 
bietserweiterungen erstrebe. Das Miener Ka 
binett hat hinzugefügt, daß die Münsche, die 
von ihm betreffs gewisser voraussichtlich ein 
tretender Änderungen geäußert worden seien, 
keinesfalls solcher Ratur wären, daß sie die 
politische und ökonomische Unabhängigkeit der 
Balkanstaaten, inbesondere die Serbiens, gefähr 
den könnte. Diese Erklärungen werden Europa 
mehr Kraft geben, wenn es bei der endgiltigen 
Regelung, die, wie ich wünsche, nahe ist, zu 
intervenieren haben wird. 
Der Ministerpräsident führt weiter aus: die 
Mächte taten viel, als sie sich entschlossen, ihre 
besonderen Gesichtspunkte durch gesonderte Maß 
nahmen nicht vorwalten zu lassen. 
Der Ministerpräsident lobt die glückliche 
Initiative Englands in betreff der Konferenz 
der Botschafter. Obwohl diese keine entschei 
denden Vollmachten besitze, werde sie es ermög 
lichen, daß man rascher zu einer Lösung komme, 
indem sie die Fühlung unter den Mächten sichere. Die 
Arbeit der Botschafter verspreche für Europa 
sehr nützlich zu sein. Der Vertreter Frankreichs 
nehme daran erfolgreich im Verein mit den 
anderen Botschaftern teil. 
Die Botschafter glauben dahin gelangt zu 
sein, eine der Hauptursachen der Uneinigkeit 
Europas zu beseitigen. Der Ministerpräsident 
weist auf den Beschluß der Konferenz, betref 
fend ein autonomes Albanien und einen Han 
delszugang hin, den Serbien zum Adriatifchen 
Meere haben soll und erklärt: Ich glaube ver 
sichern zu können, daß sich Serbien diesem Ge 
sichtspunkte anschließen wird. Die unter der 
Souveränität oder vielmehr unter der Suzerä- 
nität des Sultans begründete Autonomie Alba 
niens wird unter der Kontrolle aller Mächte, 
einschließlich Frankreichs, stehen. Der Serbien 
auf albanesischem Gebiete geöffnete Hafen wird 
frei und neutral sein und gleichfalls unter der 
Kontrolle Europas stehen bei freiem Transit 
verkehr für alle Maren, Kriegsmunition in 
begriffen. 
Serbien wird außerdem Jollfreiheit genießen. 
Mir werden uns bemühen, bei der Einrichtung 
dieser Kombination sie für Serbien möglichst 
günstig zu gestalten und ihm die unerläßlichen 
Garantien zu sichern, denn es ist im Interesse 
des europäischen Friedens gelegen, daß, wenn 
man von Serbien die Aufopferung eines Teiles 
seiner Ambitionen verlangt, man ihm nicht die 
Möglichkeit zum Leben und zum Atmen ver 
weigert. 
Das ist eine erste Frage, dke gelöst erscheint. 
Es bleiben noch insbesondere die heikle Frage 
der Grenzen Albaniens und viele andere Fragen 
zu lösen. Die Lösung derselben bleibt von den 
Ergebnissen der Verhandlungen der Kriegfüh 
renden abhängig, deren Ausgang vorauszusehen 
leider unmöglich ist. Die daran teilnehmenden 
Diplomaten, die ich gesehen habe, sind ent 
schlossen, den Friedensgedanken zu unterstützen, 
aber auch den Standpunkt ihrer Länder zu ver 
teidigen. Die Vertreter der Verbündeten sind 
sich vollkommen der ganzen Kraft, die ihnen die 
Festigkeit des Balkanbundes verleiht, bewußt 
und entschlossen, nicht durch leidige Zwistigkeiten 
die sichere Autorität, welche ihre Massen ver-
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.