Der rumänisch-bulgarische Streit.
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sie ihn. Fordern ihn um eines idealen Zieles
willen, sagen die einen, um ein Phantom, meinen
die anderen.
Dieser Krieg wird verhindert werden, aber
andere werden entbrennen. Rotwendigkeiten,
keine Differenzen, die mit ruhigem Blut nicht
gütlich zu schlichten wären, zwingen die Völker
zu gegenseitigem Morden. Theoretisch läßt sich
die Widersinnigkeit aller Kriege wunderschön
nachweisen, allein ihre Rotwendigkeit scheint
doch tiefbegründet im Wesen des Menschen, viel
leicht nötig M Erhaltung der männlichen In
stinkte. Widersinnig, grauenhaft ist der moderne
Krieg, und doch fordern die Völker ihn, wenn
die entflammten nationalen Leidenschaften ihnen
einen blutigen Schleier vor die Augen hängen.
Hoffnungslos ist die Arbeit der Friedens
freunde. Ewig ist der Krieg. Immer von neuem
gebiert er sich aus sich selbst. Der Krieg ist tot,
es lebe der Krieg!
Am 9■ Dezember eröffnete König Carol das
rumänische Parlament mit folgender Thronrede:
Unter den gegenwärtigen bedeutsamen Um
ständen und in einem für mich tief schmerzlichen
Augenblick empfinde ich eine besondere Genug
tuung darin, das) ich mich von den Vertretern
ganz Rumäniens umgeben sehe. Und so begrüße
ich Sie, die Sie zur ersten Session der neuen
Legislaturperiode versammelt sind, von ganzem
Herzen.
Infolge der Bildung der gegenwärtigen Re
gierung ist ein neuerlicher Appell an das Land
notwendig geworden. Aus den jüngsten allge
meinen Wahlen hervorgegangen, sind Sie, meine
Herren, in der Lage, die wahren Bedürfnisse
des Landes besser zu kennen.
Die Politik Rumäniens, die mit der tra
ditionellen Beständigkeit einer Politik der Mäßi
gung und des Friedens in den mit den höchsten
Interessen des Landes vereinbarlichen Grenzen
befolgt worden ist, hat uns in die Lage versetzt,
mit allen Staaten freundschaftliche Beziehungen
zu unterhalten und uns namentlich des beson
deren Vertrauens der Großmächte zu erfreuen.
Rumänien hat bei seinem Bestreben, zur
Lokalisierung des Krieges beizutragen, gegen
über den kriegführenden Balkanstaaten Reu-
tralität beobachtet, wobei es jedoch die Ent
wicklung der Ereignisse, die zahlreiche Interessen
unseres Landes berühren, aufmerksam verfolgte.
Wir sind zu der Hoffnung berechtigt, daß
diese Haltung günstige Ergebnisse für gute Be
ziehungen zu den Balkanstaaten in ihrer neuen
Zusammensetzung zeitigen wird und daß unsere
Interessen Berücksichtigung finden werden.
Rumänien wird als ein wichtiger Faktor des
europäischen Konzerts angesehen und bei der
Balkankrieg. H.
endgiltigen Regelung der durch die Balkankrise
aufgeworfenen Fragen wird sein Wort Gehör
finden.
Das Vertrauen, das die Ration in die aus
nahmslos anerkannte Tapferkeit ihrer Soldaten
fetzt, ist vollauf gerechtfertigt. Die Armee ist im
stande, diesem Zeichen des Vertrauens zu ent
sprechen und ist immerdar bereit, ihre Mission
zu erfüllen.
Die neuen Kredite, die von Ihnen für die
Armee werden angesprochen werden, werden in
Ihrem erleuchteten Patriotismus ihre Begrün
dung finden.
Meine Regierung wird Ihnen zur Beratung
mehrere Gesetzentwürfe unterbreiten, die dazu
bestimmt sind, das Werk der Konsolidierung
und des Fortschrittes des rumänischen Staates
in jeder Beziehung zu fördern. Ich zweifle nicht,
daß Sie unter den gegenwärtigen Umständen
auf der Höhe der Ihnen vom Lande anver
trauten Mission stehen und, indem Sie der
Regierung die notwendige Unterstützung leihen,
die berechtigten Hoffnungen der Ration erfüllen
werden. Gott spende Ihren Arbeiten seinen
Segen.
Die Thronrede machte naturgemäß in Bu
karest außerordentlichen Eindruck. Jene Stellen
der Rede, in denen von den berechtigten Inter
essen Rumäniens die Rede war und auf die
vollständige Bereitschaft der rumänischen Armee
hingewiesen wurde, wurden mit minutenlangem
stürmischen Beifall begleitet. Interessant ist, daß
Dr. Danew, der Präsident der bulgarischen
Sobranje, der Parlamentseröffnung beiwohnte
und Zeuge der Beifallskundgebungen war, die
beinahe als eine Demonstration gegen Bulgarien
aufgenommen werden mußten.
Dr. Danew in Bukarest.
Dr. Danew befand sich in diplomatischer
Mission in Bukarest, er soll damals ein Angebot
der bulgarischen Regierung übermittelt haben,
in welchem sich Bulgarien bereit erklärte, eine
kleine Grenzregulierung in der Dobrudscha zu
zugestehen. Was Rumänien eigentlich wollte,
war nur in allgemeinen Umrissen bekannt. Am
9. Dezember schrieb die offiziöse „Roumanie":
Wir wissen, und die Bulgaren können es
nicht leugnen, daß ihre heutigen Erfolge, die
sie ja gewiß ihrer Geduld und ihrer Opfer
willigkeit verdanken, unmöglich gewesen wären,
wenn unsere Haltung nicht von dem Wunsche
diktiert gewesen wäre, alles zu tun, um die
traditionelle Freundschaft und das gegenseitige
Vertrauen nicht zu stören. Mit Zumutungen
wie Intrigen Dritter darf man uns also nicht
kommen. Wir haben alles getan, um Bulgarien
unseren guten Willen und unseren Wunsch nach
ö