Volltext: Illustrierte Geschichte des Balkankrieges 1912 - 13 Zweiter Band (Zweiter Band / 1914)

Der rumänisch-bulgarische Streit. 
/^H^^eben den Meinungsverschiedenheiten, die 
>Ä>III trotz aller Bemühungen zur Erhaltung 
y/s4L\ L ^ cö Siedens noch immer unter den 
Mächten herrschten und die eben durch 
die Londoner Botschafterreunion behoben werden 
sollten, war die Situation auch noch beunruhigt 
durch den Zwist Mischen Rumänien und Bul 
garien. Es ist schon erzählt worden, daß Rumä 
nien bereits nach den ersten bulgarischen Siegen 
in Sofia seine Forderungen in bezug auf eine 
Regulierung der Dobrudschagrenze angemeldet 
hatte. Roch ehe der Waffenstillstand zustande 
gekommen war, wurde davon gesprochen, das) 
die rumänische Regierung für alle Eventualitäten 
militärische Vorbereitungen zu treffen beginne. 
Eine Reise des österreichisch-ungarischen Armee- 
inspektors Conrad v. Höhendorf nach der rumä 
nischen Hauptstadt wurde gleichfalls in dem 
Sinne gedeutet, das) Rumänien kriegerische Maß 
regeln treffen wolle und dabei im gewissen Sinne 
einen Rückhalt an dem befreundeten Österreich- 
Ungarn suchte. 
Die Stimmung in Bukarest war ziemlich 
nervös. Colin Ros), den wir als Berichterstatter 
bei der türkischen Armee kennen gelernt haben, 
schreibt aus Bukarest, 2. Dezember: 
Der Krieg auf dem Balkan liegt im Ster 
ben. Blut ist genug geflossen. Hunger und Seuche 
haben die Reihen gelichtet. Die Gegner sehnen 
den Frieden herbei. Ein blutiger Krieg wird 
voraussichtlich bald enden, ein neuer steht vor 
der Tür, klirrt wenigstens vernehmlich mit Schwert 
und Rüstung, das) alle Völker Europas ängstlich 
auffahren. Das kleine Serbien trotzt, Österreich 
und Rußland mobilisieren, Rumäniens Volk 
ruft nach dem Krieg. In Rumänien vornehm 
lich ist die Kriegsstimmung groß. Allein von 
allen Balkanvölkern blieb es dem Kriege fern, 
es hätte den Krieg verhindern, ihm eine andere 
Wendung geben oder wenigstens sich einen hohen 
preis für seine Reutralität sichern können. Richts 
von alledem hat es getan. Mit dem Schwert 
in der Scheide sah es abwartend zu. Run 
wollen die Sieger die Beute untereinander teilen. 
Das Gleichgewicht auf dem Balkan droht sich 
zu Rumäniens Ungunsten zu verschieben. Das 
Donaukönigreich soll leer ausgehen. Da empört 
sich das Volk. Alte Gegnerschaft wird rege. 
Man^liest viel von den gemeinsamen Inter 
essen und den freundschaftlichen Begehungen 
von Rumänien und Bulgarien zueinander. Ich 
fand bei kurzem Besuch in Rumäniens Haupt 
stadt nichts davon, fand nur Haß und Feind 
schaft, oder vielmehr leidenschaftliche Rivalität 
und Eifersucht auf die Erfolge des Rachbarn. 
Am 30. Rovember verließ ich Konstantinopel. 
Die Berichterstattung ist jetzt auch auf türkischer 
Seite nahezu unmöglich gemacht, wenigstens für 
alle, die ungeschminkte Wahrheit berichteten. Erst 
am Tage vor meiner Abreise wurde wieder ein 
Korrespondent, ein Engländer, zwischen 2 Sol 
daten mit aufgepflanztem Seitengewehr nach 
Konstantinopel zurücktranspörtiert. Ich zog vor, 
rechtzeitig freiwillig zu gehen, um so mehr, da 
ich kaum noch kriegerische Ereignisse versäumen 
werde. 
Der Zug von Konstanza nach Bukarest ist merk 
würdig überfüllt. Bald ersehen wir, daß heuteRach- 
mittag in der Hauptstadt eine große Versamm 
lung stattfinden soll. Die rumänische Kulturliga 
und die mazedonisch-rumänische Gesellschaft haben 
ein Meeting für die Autonomie Albaniens ein 
berufen und von der Regierung für alle Teil 
nehmer Fahrt zu halbem preise nach Bukarest 
erwirkt. So erwartet man lebhaften Zuspruch 
aus dem ganzen Lande. 
Meeting für die Autonomie Albaniens, heißt 
das offizielle Programm; Meeting für den Krieg 
sagen die Rumänen im Zuge. Mit Zuversicht 
sprechen sie von ihrem Heere, voll stolzen Ver 
trauens weisen sie auf die Torpedoboote, die 
bei Saligny die Wacht auf der Donau halten, 
Silistria und Varna für Rumänien ist die Losung. 
In Bukarest sind die Hotels überfüllt. Eine 
dichte Menschenmenge wogt in den Haupt 
straßen. Trupps mit Fahnen ziehen vorüber. 
In der Ephorie, wo die Versammlung tagt, 
ist lange vor Beginn der letzte Platz beseht. 
Davor staut sich die Menge. Photographen und 
Kino-Operateure sind an der Arbeit. 
Heiß und stickig ist die Luft im Saal. 
Tausende von Leibern sind aneinandergepreßt; 
Fahnen hängen von den Galerien herab, da 
hinter wieder Menschen Kopf an Kopf. 
Dr. Leonte, der Präsident der mazedonisch 
rumänischen Gesellschaft, eröffnet die Versamm 
lung. Er fordert dazu auf, die rumänischen 
Brüder in Mazedonien zu ermutigen, daß sie
	        
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