Volltext: Illustrierte Geschichte des Balkankrieges 1912 - 13 Zweiter Band (Zweiter Band / 1914)

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Die Konstituierung des Fürstentums Albanien. 
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Jedenfalls konnte ein sofortiges Einschreiten 
nicht erwartet werden. Österreich-Ungarn wollte 
jedoch nicht zugeben, daß die Abschlachtung 
der Albanesen von den sogenannten strategischen 
Punkten aus weiter fortgesetzt werden konnte. 
In bezug auf Skutari hatten die Großmächte 
sich unter dem Druck der österreichischen Vor 
stellungen zu gemeinsamem Handeln entschlossen 
und dem Londoner Beschluß zur Durchführung 
verholfen. In bezug auf den serbisch-albanesischen 
Konflikt konnte ein einmütiges rasches Vor 
gehen nicht erzielt werden; deshalb handelte 
Österreich-Ungarn allein; es handelte im Inter 
esse der Menschlichkeit, wie im Interesse des 
Ansehens der Großmächte. Die österreichische 
Regierung ist wegen dieses Schrittes heftig 
angegriffen worden; mit Unrecht. Das Ulti 
matum war das einzige Mittel, Serbien zur 
Achtung der Londoner Beschlüsse zu zwingen 
und neue Komplikationen auf dem Balkan zu 
verhüten. 
Das Vachgeben Serbiens. 
Am 20. Oktober erschien der serbische Ge 
sandte in Men, Zovan Zovanovic, im Mini 
sterium des Äußern und überbrachte dem Grasen 
Berchtold im Aufträge seiner Regierung die 
Mitteilung, daß an die serbischen Truppen be 
reits der Befehl ergangen sei, Albanien zu 
räumen und daß dieser Befehl innerhalb der 
von Österreich-Ungarn gestellten Frist von 6 Ta 
gen vollzogen sein werde. 
In Belgrad hatte der österreichisch-ungarische 
Geschäftsträger die offizielle Mitteilung er 
halten, daß der Befehl zur Räumung der von 
den serbischen Truppen besetzten Gebiete Al 
baniens am 19. Oktober beschlossen und am 
20. früh morgens an die Befehlshaber hinaus 
gegeben worden sei. 
Serbien konnte sich der Forderung Öster 
reich-Ungarns nicht ernstlich widersetzen, schon 
aus dem Grunde, weil die Mächte der Tripel- 
entente nicht gut Partei für Serbien und gegen 
ihre eigenen Beschlüsse ergreifen konnten. Denn 
in den Kabinetten von London, Petersburg und 
Paris war man zwar von der isolierten Aktion 
Österreich-Ungarns unangenehm überrascht, aber 
man mußte zugeben, daß das Vorgehen Öster 
reich-Ungarns durchaus berechtigt war. 
Votgedrungen hat Serbien innerhalb der 
gestellten Frist seine Truppen aus dem Gebiet 
des autonomen Albanien zurückgezogen. 
Die Konstituierung des Fürstentums Albanien. 
^ie Mächte hatten sich die Abgrenzung 
Albaniens und die innere Einrichtung 
des neuen Staates vorbehalten. Die 
genaue Grenzfestsehung sollte durch 
zwei internationale Kommissionen erfolgen. Die 
Kommission für die Vord- und Vordostgrenze 
hatte nur die Grenzlinie zu trassieren. Die 
Kommission zur Feststellung der südalbanesischen 
Grenze hatte dagegen zu untersuchen, wo ethno 
graphisch die Scheidung zwischen Griechen und 
Albanesen begann. Die Mächte hatten sich im 
allgemeinen auf eine Grenzlinie Kap Stylos— 
Koritza geeinigt, jedoch die gxnauere Feststellung 
der Kommission überlassen. 
In Skutari übte die internationale Besatzung 
die Herrschaft aus und hielt Ruhe und Ord 
nung aufrecht. Eine internationale Kontroll 
kommission sollte die staatlichen Bedürfnisse des 
Landes erforschen und Vorschläge über die 
Konstituierung erstatten. Valona war der Sitz 
der provisorischen Regierung und Ismail Kemal 
suchte mit Hilfe seiner Anhänger wenigstens an 
der Westküste halbwegs geordnete Zustände zu 
schaffen. Essad Pascha, der infolge der öster 
reichischen Bemühungen sich mit der provisori 
schen Regierung ausgesöhnt hatte und sogar in 
das Kabinett eingetreten war, bekam bald 
wieder Sezessionsgedanken. Es kam zu einem 
Zerwürfnis zwischen ihm und der provisorischen 
Regierung gerade zu der Zeit, als die alba- 
nesischen Trupps in Veuserbien einfielen. Essad 
Pascha richtete eine Art von Elanherrschaft in 
seiner Heimat Tirana auf, beschuldigte die pro 
visorische Regierung der Untreue, doch kam es 
zu keinen ernsten Zusammenstößen zwischen den 
beiderseitigen Anhängern. Das Land selbst lag 
in vollkommener Anarchie, die in den Bergen 
Albaniens zwar nichts ungewohntes war, aber 
doch auf die Dauer nicht fortbestehen konnte. 
Bei den Zuständen, wie sie zur Zeit des Ein 
falles der Albanesen in Veuserbien herrschten, 
konnte niemand eine Garantie dafür übernehmen, 
daß solche Vorgänge sich nicht wiederholen 
würden. Man war jedoch Serbien, das sich 
ohne Widerspruch der Forderung Österreich- 
Ungarns gefügt hatte, schuldig, Ordnung in 
Albanien zu schaffen. 
Die Abgrenzungskommissionen, die erst nach 
langem Zaudern und nach vielen Mißlichkeiten 
gebildet werden konnten, wurden zu rascherer 
Arbeit angewiesen. Im Vörden und Vordosten 
ging die Abgrenzungsarbeit ziemlich rasch von 
statten; dagegen wurden die Arbeiten an der 
Südgrenze von griechischer Seite in einer
	        
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