Volltext: Illustrierte Geschichte des Balkankrieges 1912 - 13 Zweiter Band (Zweiter Band / 1914)

Das Ultimatum Österreich-Ungarns an Serbien. 
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ginnend bei Oronchi und bis zur Kasa von 
Thanos laufend, versperrt ihnen den Übergang. 
Die wenigen lebenden Landsleute dieser 
Gegend, die sich geflüchtet haben, sind erschöpft, 
und während sie alle Schrecken des Hungers 
erleiden, erfahren sie, daß die von ihren Brüdern 
bewohnten und von den Serben eroberten 
Dörfer von den serbischen Soldaten überfallen, 
verwüstet und ihrer Viehherden beraubt worden 
sind. Hirten, welche den Serben zu widerstehen 
versuchten, wurden abgeschlachtet, die Rotabeln, 
die durch den Präfekten in den Konak berufen 
wurden, wurden hingerichtet. Angesichts dieser 
Sachlage haben sie den einzigen Entschluß ge 
faßt, den die Verzweiflung diesen Tapferen 
eingegeben hat: zu sterben, indem sie ihre 
eigene Ehre und die Ehre ihrer Brüder rächen. 
Die Ereignisse haben den Beweis erbracht. 
Mir appellieren an die Gefühle der Mensch 
lichkeit und an die hohe Gerechtigkeit der 
Großmächte und bitten sie zu intervenieren, um 
diesem zwecklosen Blutvergießen ein Ende zu 
bereiten, indem sie den Kommissionen zur Fest 
setzung der Grenze den Auftrag erteilen, sich 
unverzüglich an Ort und Stelle zu begeben 
und die Aufgabe, mit der sie betraut sind, 
schleunigst in einer Meise zu beenden, daß 
die verzweifelten Einwohner sich einer erträg 
lichen Existenz versichert sehen. Die Großmächte 
werden sich dadurch einen neuen Anspruch 
auf die Dankbarkeit der albanesischen Ration 
erwerben. 
Die Großmächte hörten auf diesen Hilfe 
schrei nicht. Es ist zweifellos, daß sie ruhig zu 
gesehen hätten, wie die Serben in das Ge 
biet des autonomen Albanien eindrangen und 
abschlachteten, was ihnen in die Hände fiel. 
Aus politischen Gründen war Albanien zer 
stückelt worden; weil Rußland den österreichi 
schen Münschen auf ein lebensfähiges Albanien 
widerstrebte. Europa wäre taub geblieben, wenn 
Österreich nicht den Albanesen zur Hilfe ge 
kommen wäre- 
Die serbischen Truppen rückten in das Ge 
biet des autonomen Albanien ein. Die serbische 
Regierung verbreitete einen sogenannten authen 
tischen Bericht über den „Aufstand" der Alba 
nesen, um einen Rachweis zu führen, daß die 
Großmächte schuld an den Vorkommnissen wären. 
Die Großmächte hatten verlangt, daß Serbien 
das Gebiet des autonomen Albanien räume, 
nach dieser Räumung herrschte in Albanien Anar 
chie, die zur Bandenbildung und zum Einfall in ser 
bisches Gebiet führte. Um Ruhe zu haben und 
nicht neuerlichen Einfällen ausgesetzt zu sein, ver 
langte Serbien das Recht, gewisse strategische 
Punkte im autonomen Albanien beseht zu 
halten. 
Das Ultimatum Österreich-Ungarns an Serbien. 
10. Oktober wußte man, daß die 
Q%)j| Serben die Grenze des autonomen 
Albanien überschritten hatten. Die 
serbische Regierung hatte zwar ver 
sichert, daß sie die Beschlüsse der Londoner 
Botschafterkonferenz achten wolle, aber ihre 
Haltung war zweideutig und ließ durchscheinen, 
daß Serbien eine Grenzberichtigung erzwingen 
wolle. An ein Eingreifen der Mächte in ihrer 
Gesamtheit war kaum zu denken. Am 13. Ok 
tober erteilte die serbische Regierung ihren 
Truppen den Befehl, ihren Vormarsch nach 
allen Richtungen einzustellen, aber die Truppen 
blieben in ihren Stellungen. 
Am 14. Oktober wurde serbischerseits er 
klärt: Serbien wird an die Mächte heran 
treten, um ihnen darzulegen, daß die Aufrecht 
erhaltung der Ruhe und Ordnung die dauernde 
Besetzung gewisser strategischer Punkte erforder 
lich mache. Es ist kein Zweifel, daß diese 
serbische Forderung die Unterstützung Rußlands 
und Frankreichs gefunden hätte. Man sprach 
zwar von einem Schritt der Mächte in Belgrad, 
aber es handelte sich nicht um eine gemeinsame 
Balkankrieg. II. 
Aktion, sondern nur die Vertreter Österreich- 
Ungarns, Italiens und Deutschlands wurden bei 
der serbischen Regierung vorstellig. Der öster 
reichisch-ungarische Geschäftsträger in Belgrad 
hatte die Meisung erhalten, bei der serbischen 
Regierung auf die Rotwendigkeit der Respek 
tierung der in London bestimmten Grenzen 
Albaniens sowie der schleunigen Räumung 
jener Positionen zu dringen, die, wiewohl sie 
zum autonomen Albanien gehören, von serbi 
schen Truppen besetzt gehalten wurden. Die 
Vertreter Deutschlands und Italiens unterstützten 
diesen Schritt. 
Am 18. Oktober überreichte der österreichisch- 
ungarische Geschäftsträger in Belgrad, Herr 
v. Storck, der serbischen Regierung ein Ulti 
matum Österreich-Ungarns, in welchem die 
Räumung der sogenannten strategischen Punkte 
im selbständigen Albanien innerhalb 8 Tagen 
verlangt wurde. 
Österreich-Ungarn hatte zur Selbsthilfe ge 
griffen. Daß die 6 Großmächte sich zu einem 
gemeinsamen Vorgehen gegen Serbien ent 
schließen würden, war nicht wahrscheinlich. 
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