Volltext: Illustrierte Geschichte des Balkankrieges 1912 - 13 Zweiter Band (Zweiter Band / 1914)

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Eindringen der Albanesen in neuserbisches Gebiet. 
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seien, zu verhaften, hinauszuführen und zu er 
schießen. Mir viele Albanesen so nebenbei noch 
erschossen wurden, entzieht sich natürlich ebenfalls 
der Kenntnis. In Europa hörte man Mar aus 
den Hilferufen der Albanesen von diesen furcht 
baren Zuständen, aber Europa war taub ge 
worden gegen Hilferufe, Metzeleien, Greuel; die 
Barbarei in ihrer furchtbarsten Gestalt war in 
diesem „Kreuzzug" der christlichen Balkanvölker 
gegen die Türken etwas so alltägliches geworden, 
das) man sich über einige Tausend Tote mehr 
oder weniger nicht mehr aufregte. Für den Bal 
kan waren die Zeiten eines Attila, eines 
Dschingiskhan gekommen und die sogenannte 
Kulturwelt hatte sich an den Blutrauch bereits 
gewöhnt, der über der Halbinsel aufstieg. 
An der neuen serbisch-albanesischen Grenze 
standen die serbischen Posten. Die Albanesen, 
die, von der Rotwendigkeit getrieben, von den 
Bergen herunterstiegen, um die Märkte aufzu- 
suchen, wurden entweder gar nicht über die 
Grenze gelassen, oder doch solchen Schikanen 
unterworfen, das) es ihnen in der Hauptsache 
unmöglich wurde, die Märkte aufzusuchen. Das) 
unter solchen Umständen von den Albanesen ge 
legentlich serbische Soldaten umgebracht wurden, 
ist etwas Selbstverständliches. Die Albanesen 
hörten aus dem Munde ihrer Stammesgenossen, 
die aus Reuserbien in die Berge geflohen waren, 
wie die Eroberer hausten und das) sie darüber 
empört waren, ist begreiflich. 
Schon Mitte September erfuhr man von 
verschiedentlichen Grenzplänkeleien Mischen den 
Serben und den Albanesen. Diese Plänkeleien 
nahmen einen immer schärferen Charakter an, 
bis eines Tages ein großer Teil der Albanesen 
sich zusammengefunden hatte, um die Grenze zu 
überschreiten und an den Serben Rache zu 
nehmen. Von der sogenannten Regierung in 
Valona sind diese Banden nicht unterstützt wor 
den. Auch mit Essad Pascha bestand kein Zu 
sammenhang. Me in früheren Zeiten sich die 
Aufstände in Albanien fast von selbst bildeten, 
so geschah es auch hier. Unter dem Kommando 
einzelner Führer, wie Bairam Jur und Iffa von 
Boletin, fanden sich die Scharen zusammen und 
brachen in das Land des Feindes ein. 
Am 22. September wurde aus Belgrad ge 
meldet, daß seit 3 Tagen längs der albanesischen 
Grenze von Dibra bis Djakova ein blutiger 
Kampf zwischen serbischen Truppen und Alba 
nesen stattfand. Bei Peschkopoja, unweit Dibra, 
versuchten mehrere Tausend bewaffnete Alba 
nesen, mit Issa von Boletin an der Spitze, in 
serbisches Territorium einzudringen. Die serbi 
schen Truppen schlugen die Albanesen zurück 
und besetzten die wichtige Position Peschkopoja. 
Die Verluste der Albanesen sollen über 200 
Tote und Verwundete betragen haben. Zur Ver 
stärkung der Grenztruppen sind 8 Regimenter 
Infanterie, Gebirgsbatterien und Kavallerie ab 
gegangen. 
Zugleich mit der Rachricht über diese Kämpfe 
kamen auch Meldungen über die Gründe. Einem 
Bericht aus der Malissia zufolge stellten sich die 
Kämpfe als Akte der Rotwehr dar. Seit vielen 
Monaten hieß es, üben die Serben in den 
neueroberten albanesischen Gebieten eine blutige 
Herrschaft aus, und nur der völligen Absperrung 
vieler Gegenden ist es zuzuschreiben, daß nicht 
mehr Rachrichten darüber in das Ausland ge 
langt sind. Am Tage nach dem Peter- und 
paulsfeste (29. Juni) sind auf serbischem Gebiet 
170 Albanesen von den Serben erschossen worden, 
weil sie, um Arbeit zu suchen, die Grenze über 
schritten hatten. Eine Reihe von Stammeshäuptern 
und Rotabeln wurde gefangen genommen und hin 
gerichtet. Serbische Truppen überfielen das auf dem 
Territorium des autonomen Albanien gelegeneDorf 
Fschaj, wo es zu einem Kampfe mit den Ein 
wohnern kam, der damit endete, das) die ser 
bischen Truppen vertrieben wurden. Hieraus 
rückten größere Truppendetachements aus Djakova 
und prizrend heran und verbrannten drei auf 
albanesischem Gebiet liegende Dörfer. Die Be 
völkerung dieser und vieler umliegenden Dörfer 
ist in das Gebirge geflüchtet. 
Zunächst galt der albanesische Vorstoß der 
Stadt Dibra. Die albanesischen Trupps waren 
etwa 6000 Mann stark; ihnen konnte die Be 
satzung nicht lange standhalten. Am 22. Sep 
tember kam es in der unmittelbaren Umgebung 
von Dibra zu einem Zusammenstoß mit den 
serbischen Truppen. Der Kampf war erbittert; 
die Serben wurden geschlagen und die Alba 
nesen zogen in Dibra ein. 
Immer größer wurden die Scharen der 
Albanesen, die sich vorgenommen hatten, die 
Serben aus den albanesischen Gebieten zu ver 
treiben. Rach Dibra wurde Tuzi angegriffen 
und von den Albanesen beseht. Die kleine 
montenegrinische Besatzung soll nach kurzem 
Kampf sich zurückgezogen haben. 
Am 24. September wurde aus Belgrad ge 
meldet: 
Eine albanesische Kolonne bedroht die Stadt 
Struga. Die Bevölkerung ist nach Ochrida ent 
flohen. Die von Dibra vordringenden Albanesen 
befinden sich bereits in Kitschevo, wo gestern den 
ganzen Tag gekämpft wurde. 
Lawinenartig war die Bewegung von den 
Bergen niedergebrochen und die verhältnismäßig 
schwachen Besatzungen der Grenzstädte konnten 
sich vor dem Ansturm nicht halten. Serbien 
mobilisierte zunächst die Moravadivision und 
bildete die Drindivision neu. Das Ende der 
albanesischen Bewegung konnte man unschwer 
voraussehen. Mnn erst die serbischen Maschinen-
	        
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