Volltext: Illustrierte Geschichte des Balkankrieges 1912 - 13 Zweiter Band (Zweiter Band / 1914)

Der neue türkisch-bulgarische Konflikt. 
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deren Ablauf sie entweder auswandern oder 
die bulgarische Nationalität annehmen können. 
Mährend dieser vier Jahre wird die Bevölkerung 
nicht zu Militärdiensten herangezogen werden. 
Artikel 3 behandelt die Rechte der Musel 
manen und ihrer Gemeinden. Die Musel 
manen sollen dieselben politischen Rechte ge 
nießen, wie die christlichen Bulgaren. 
Rach Artikel 4 werden die Vakufs, das 
sind die frommen Stiftungen, von den musel 
manischen Gemeinden verwaltet werden. 
Im Artikel 5 wird der allgemeine Waffen- 
stillstand festgestellt. 
Rach Artikel 6 wird die Räumung der 
den Bulgaren verbleibenden Gebiete in 2 Mo 
naten stattfinden. 
Artikel 7 enthält Bestimmungen über den 
Austausch der Gefangenen. 
Ein weiterer Artikel spricht aus» daß der 
Friede von London so weit in Kraft bleibt, als 
er nicht durch den gegenwärtigen Vertrag abge 
ändert erscheint. 
Ein anderer Artikel bestimmt, daß der gegen 
wärtige Vertrag vom Datum der Unterzeichnung 
an in Kraft tritt. 
Die Forderung der Bulgaren, einen beson 
deren Artikel über die Errichtung und Instand 
haltung von Denkmälern auf den Schlacht 
feldern in den Vertrag aufzunehmen, wurde 
fallen gelassen. 
Dem Vertrage sind mehrere Zusatzprotokolle 
angefügt, worin die einzelnen Artikel erläutert 
oder sekundäre Angelegenheiten geregelt werden. 
Ein Protokoll betrifft die Zahlung für Requi 
sitionen während der Okkupation seitens Bul 
gariens. Bezüglich der Kriegsgefangenen wurde 
endgiltig vereinbart, daß die Pforte Bulgarien 
bloß den gezahlten Sold zurückvergütet. Die 
Bezahlung der Verpflegungskosten wird dem 
Haager Schiedsgericht unterbreitet werden. 
Die Unterzeichnung des Friedens 
vertrages. 
Am 27. September wurde gemeldet, daß 
die Verhandlungen beendet und das Vertrags 
protokoll bereits paraphiert sei. 
Am 28. September erfuhr man, daß der 
Friedensvertragsentwurf, der im ganzen 17 Ar 
tikel enthielt, noch einige Abänderungen er 
fahren habe. Die Frist der Räumung der 
Bulgarien verbleibenden Gebiete, die ursprüng 
lich mit 2 Monaten geplant war, wurde auf 
2 Wochen herabgesetzt. Durch eine Verein 
barung betreffend die Muftis hat sich die bul 
garische Regierung verpflichtet, gemäß dem vom 
bulgarischen Gesetze über den öffentlichen Unter 
richt vorgesehenen Verhältnisse Elementar- und 
Mittelschulen für die Muselmanen und außer 
dem eine muselmanische Rechtsschule zur Heran 
bildung von Muftis zu erhalten. Das Protokoll 
betreffend die Vakufs bestimmt, daß diese weiter 
hin dem türkischen Evkafministerium unterstehen 
werden. Falls Bulgarien die von Privatpersonen 
verwalteten Vakufs liquidieren wollte, wird es 
die an den Vakufs interessierten Personen ent 
schädigen müssen. Die privaten Güter der türki 
schen Krone bleiben deren Eigentum. Die 
Kriegsgefangenen werden binnen Monatsfrist 
freigelassen. 
Am 29. September wurde der türkisch 
bulgarische Friedensvertrag unterzeichnet. Die 
Schlußsitzung der Friedenskonferenz trug einen 
intimen Charakter. Der Großwesir, welcher der 
Sitzung beiwohnte, hielt eine Ansprache, in 
welcher er die Delegierten beglückwünschte, daß 
es ihnen in so kurzer Zeit gelungen sei, das 
grandiose Werk des Friedens im Geiste des 
Ausgleichs, der Eintracht und der Versöhnlich 
keit zum Abschluß zu bringen. Er dankte so 
dann den bulgarischen Delegierten und schloß 
mit der Erklärung, er sei überzeugt, daß der 
Friedensschluß für beide Rationen eine neue 
Ara des Glücks und des Gedeihens eröffne. 
Der bulgarische Delegierte Sawow sprach den 
Dank der Bulgaren aus. Er sagte: 
„Hoheit? Ich lege Wert darauf, vor allem 
im Ramen der bulgarischen Delegierten Eurer 
Hoheit Dank zu sagen für die Unterstützung, 
die Courtoisie und das Entgegenkommen, das 
wir von Ihrer Seite bei der Durchführung 
unserer Mission gefunden haben. Dank den von 
beiden Seiten aufgewendeten Bemühungen, dem 
guten Willen und dem versöhnlichen Geist bei 
der Behandlung der zu erledigenden Fragen 
findet ein Zustand, der seit fast einem Jahre 
Mischen unseren Ländern bestanden und so 
schwer auf ihnen gelastet hat, nunmehr ein 
Ende. Der Vertrag, den wir soeben unter 
zeichnet haben, bedeutet die Wiederaufnahme 
der Beziehungen des guten Einvernehmens und 
die Freundschaft zwischen Bulgarien und der 
Türkei. Wir sind uns voll der Ehre bewußt, 
an dieser edlen Aufgabe mitgearbeitet zu haben, 
und sind glücklich, ein Unterpfand der Herstellung 
eines festen, dauernden Verhältnisses guter 
Rachbarschaft und Freundschaft- zu besitzen, ein 
Unterpfand für das Gedeihen und das höchste 
Glück beider Rationen." 
Aus dem Inhalt des Friedensvertrages 
wurde noch nachgetragen: 
Artikel 7: Die Eingeborenen in den von 
der Türkei an die bulgarische Regierung abge 
tretenen Gebieten, sowie die dort Ansässigen 
werden bulgarische Untertanen. Diese Einge 
borenen, die bulgarische Untertanen geworden 
sind, werden die Möglichkeit haben, an Ort 
und Stelle zugunsten der ottomanischen Ratio-
	        
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