Volltext: Illustrierte Geschichte des Balkankrieges 1912 - 13 Zweiter Band (Zweiter Band / 1914)

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Epilog Sir Edward Greys }u ben beiden Balkankriegen. 
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sich nur auf dieses eine Ziel M beschränken 
und nicht darüber hinauszugehen. Der Versuch 
daM würde das ganxe Konzert gefährdet haben. 
Es ist leicht, von der Stärke der europäischen 
Mächte M sprechen und davon, wie sie ihren 
Millen geltend machen könnten, wenn sie nur 
wollten. Ratürlich können sie eine Flotten 
demonstration veranstalten, aber wenn sie bei 
den letzten Ereignissen hätten intervenieren 
sollen, hätten sie Truppen gebrauchen und ris 
kieren müssen, das) diese getötet werden. Es ist 
überaus schwierig, die europäischen Mächte 
daM M bringen, das) sie Geld bewilligen und 
Truppen verwenden, außer wo die Interessen 
ihres eigenen Landes in Frage kämen. Es ist 
etwas sehr Fragwürdiges, einen Krieg M 
führen, um den Frieden M erzwingen, aber 
man darf nicht annehmen, das), wenn die Mächte 
als Ganges keine Gewalt angewandt hätten, 
keine von ihnen unter allen Umständen so 
handeln würde; wenn eine gewaltsame Inter 
vention eintreten sollte, würde sie wahrscheinlich 
nicht durch das europäische Konzert als Ganges 
geschehen oder indem das europäische Konzert 
einem Mitglieds das Mandat erteile, sondern 
die eine oder andere Großmacht könnte so 
herausgefordert werden, daß sie im eigenen 
Interesse auf eigene Hand vorginge und daß 
die anderen Mächte diese Provokation als eine 
hinreichende Begründung der Aktion ansehen. 
Unter gewissen Umständen kann eine solche 
Aktion eine wirkliche Rotwendigkeit werden. 
Ich glaube nicht, daß sie es für uns werden 
könnte, aber ich meine, jene Staaten, sei es 
nun die Türkei oder die anderen Balkanstaaten, 
dürfen nicht glauben, daß mit der Zurückhaltung 
von jeder Intervention der Gewalt, die die 
Großmächte in den letzten Monaten bewiesen 
haben, schon gesagt ist, daß unter keinen Um 
ständen eine von ihnen intervenieren würde, 
falls sie daxu im hinreichenden Maße provoziert 
würde. Ich hielt es für richtig, dem Hause vor 
dem Ende der Session einige Aufklärungen 
über die auswärtigen Angelegenheiten M 
geben. Mir haben dem Lande keine neue Ver 
pflichtung auferlegt. Mo britische Interessen be 
droht oder direkt berührt werden, müssen solche 
Mitteilungen natürlich öfters gemacht werden. 
Aber in dem ganzen Komplex dieser Ange 
legenheit wurden britische Interessen nicht direkt 
berührt oder nicht so sehr wie die einiger 
anderer Mächte. In einem Falle, dem der 
Agäischen Inseln, wo unsere Interessen meiner 
Meinung nach direkt berührt werden könnten, 
habe ich die Lage ausführlich erklärt. 
Ratürlich hat der englische Minister des 
Äußern dem Unterhause die Verhältnisse etwas 
rosiger geschildert als sie zeitweise waren. Mir 
wissen, daß Europa an verschiedenen Zeit 
punkten nur durch Stunden von einem inter 
nationalen Krieg getrennt war und daß es nur 
des Funkens bedurfte, um das Pulverfaß M 
Explosion M bringen. Trotzdem darf auch nicht 
verkannt werden, daß die Londoner Botschafter 
reunion insofern segensreich gewirkt hat, als sie 
die Verständigung der Mächte untereinander 
erleichterte. Besonders Sir Edward Grey hatte 
ein großes Verdienst an der Aufrechterhaltung 
des Friedens. Auch positive Arbeit hat die 
Botschafterreunion geleistet; sie hat Albanien 
geschaffen, hat Montenegro aus Skutari ver 
trieben. Freilich waren die Grenzen im Süden 
noch immer nicht festgestellt, war Österreichs 
Bemühen, ein Statut für den neuen Staat 
durchxubringen, bisher vergeblich gewesen. Die 
Abgrenzung sollte nach den Beschlüssen der 
Konferenz von zwei internationalen Kommissionen 
festgestellt werden. Fragen wirtschaftlicher Ratur, 
wie die der Übernahme eines Teiles der türki 
schen Schuld durch die Balkanstaaten, waren 
der pariser Finanxkonferenx überlassen worden, 
deren Arbeiten nur sehr langsam vorwärts 
schritten. Die Regelung der Inselfrage hatten 
die Mächte sich selbst vorbehalten; wann die 
Entscheidung gefällt werden, wer sie treffen 
sollte, die Botschafterkonferery oder die Mächte 
felbst, das war nicht festgesetzt. 
Die Vertagung der Botschafterreunion erfolgte 
übrigens merkwürdigerweise gerade M einem 
Zeitpunkt, M dem ein einmütiger Spruch der 
Mächte in einer Frage notwendig gewesen wäre, 
die besonders vordringlich geworden war. Der 
Friede unter den Balkanstaaten war hergestellt, 
wenn es auch nur eine Art von Rotfrieden 
war. Der Friede Mischen der Türkei und den 
Balkanstaaten war jedoch noch nicht definitiv. 
Mohl war in London der präliminarvertrag 
unterzeichnet worden, aber es war noch eine 
Reihe von wichtigen Fragen in dem Verhältnis 
der bisherigen Gegner Meinander M regeln. Erst 
wenn diese Fragen gelöst waren, konnte die 
definitive Unterzeichnung des Friedens erfolgen. 
Zwischen der Türkei und den Balkanstaaten 
herrschte also gewissermaßen ein Jnterims- 
xustand; die kriegerischen Aktionen sollten nach 
dem Londoner Protokoll eingestellt sein, aber 
der Friede, der wirkliche, tatsächliche Friede war 
noch nicht unterzeichnet. Daraus scheint man in 
Konstantinopel auch das Recht abgeleitet M haben, 
die Armee nach Thrakien M schicken und 
die in London festgestellte Grenze M über 
schreiten. 
Mohl hatten die Vertreter der Mächte in 
Konstantinopel wiederholt darauf hingewiesen, 
daß das Vorgehen der Pforte mit dem Londoner 
Vertrag nicht in Einklang gebracht werden
	        
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