Volltext: Illustrierte Geschichte des Balkankrieges 1912 - 13 Zweiter Band (Zweiter Band / 1914)

Epilog Sir Edward Äreys zu den beiden Balkankriegen. 
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Es bestand also eine gegensätzliche Auffas- gangen war und in Europa kein geeignetes 
sung Mischen Österreich-Ungarn und Rumänien, Forum bestand, dem diese Streitfrage hätte 
aber sie hat um so weniger politische Folgen ge- unterbreitet werden können, 
habt, als die Botschafterreunion in Urlaub ge- 
Epilog Sir Edward Greys M den beiden Balkankriegen. 
.^k'ch.eber den Ereignissen auf dem Balkan 
haben wir die europäische Diplomatie 
in London beinahe vergessen. Um 
einen Überblick über die Arbeiten dieser 
Diplomatie, so weit sie auf den Balkan Bezug 
hatten, zu geben, ist es vielleicht am besten, 
wenn wir den Vorsitzenden der Botschafter- 
konferenz den englischen Staatssekretär Sir 
Edward Grey selbst sprechen lassen. Am 12. Au 
gust 1913 hat Sir Edward Grey im englischen 
Unterhaus einen zusammenfassenden Bericht über 
die Arbeiten der Konferenz gegeben. Dieser diplo 
matische Epilog zu den beiden Balkankriegen be 
sagte folgendes: 
Ich möchte dem Hause in bezug auf die 
auswärtigen Angelegenheiten verschiedene Mit 
teilungen machen, die das Haus, wie ich glaube, 
empfangen sollte, ehe es auseinandergeht, und 
über die ich es für nötig erachte, einige Er 
klärungen zu geben. Me dem Hause bekannt 
ist, haben seit dem Dezember Zusammenkünfte 
stattgefunden, an denen die fünf Botschafter der 
Großmächte und ich selbst teilnahmen, um 
gewisse Punkte betreffend die Schwierigkeiten 
auf dem Balkan, zu besprechen. Die Mitteilung, 
die ich zu machen habe, ist, daß diese Zusam 
menkünfte über die Ferienzeit vertagt wurden. 
Wir hatten gestern unsere letzte Zusammenkunft 
und wir sind zu dem Schluffe gekommen, daß 
wir in der Arbeit eine Stufe erreicht haben, die 
eine Pause rechtfertigt. Die Zusammenkünfte 
sind mit der Absicht vertagt worden, wieder 
aufgenommen zu werden, sobald es nötig scheint 
und sobald die in Betracht kommenden Re 
gierungen übereinstimmend wünschen, daß die 
Zusammenkünfte wieder aufgenommen werden. 
Ich wünsche jedoch, daß klar verstanden 
werde, daß die Vertagung für längere Zeit kein 
Grund ist, irgendwelche ungünstigen Schlüsse auf 
die Beziehungen der Großmächte zueinander zu 
ziehen. Seit einiger Zeit gelten die Zusammen 
künfte der Botschafter als das Symbol der 
Fortdauer des europäischen Konzerts. Wir sind 
jedoch glücklicherweise bei dem Punkte angelangt, 
wo das europäische Konzert so unerschütterlich 
dasteht, daß die einfache Tatsache der Vertagung 
der Botschafterzusammenkünfte infolge der Som 
merferien keinen Zweifel am Bestand und am 
Wohlbefinden des Konzerts der europäischen 
Großmächte aufkommen lassen wird. Im Gegen 
teil, ich denke, daß, wenn man die überraschenden, 
schmerzlichen und plötzlichen Ereignisse betrachtet, 
die sich in den letzten Wochen auf dem Balkan 
abgespielt haben und sich dabei erinnert, daß es 
während dieser Zeit keinen cssus foederis 
zwischen den Mächtegruppen gegeben hat, daß 
von keiner Großmacht Mobilisierungsgerüchte 
verbreitet wurden, auch keine beunruhigenden 
Vachrichten über Spannungen zwischen den Groß 
mächten — lauter Dinge, die sich zu Beginn 
der Balkanwirren häuften — man die Über 
zeugung gewinnen muß, daß im gegenwärtigen 
Augenblicke die Beziehungen der Großmächte 
keine derartigen sind, daß der Friede von Europa 
bedroht wäre und man Grund hätte, für die 
Zukunft zu fürchten. 
Es ist freilich wahr, daß zwischen den Groß 
mächten keine Einstimmigkeit geherrscht hat. 
Wer die europäische Presse aufmerksam liest, 
wird wissen, daß es keine Einstimmigkeit über 
alle Punkte geben kann. Die Meinungen, welche 
in verschiedenen Ländern über das Meritorische 
der verschiedenen Punkte des Bukarester Friedens 
herrschen, gehen auseinander, aber die Mei 
nungsunterschiede sind nicht derart, daß deshalb 
die Mächtegruppen sich in verschiedene feind 
liche Lager begeben würden. 
Die Botschafterzusammenkünfte wurden ver 
tagt, weil es in erster Linie notwendig ist, daß 
sich die Personen, auf denen sie bestehen, aus 
ruhen. Sie haben monatelang gearbeitet. Ich 
denke, sogar eine Maschine, sei es nur ein flüch 
tiges Automobil oder eine bedächtig arbeitende 
Dampfmühle, muß hin und wider zur Ruhe 
kommen. Die Botschafter sind die Maschinerie, 
durch welche die Meinungen der Großmächte 
ausgetauscht wurden, und da die einzelnen Teile 
derselben menschlich sind, so müssen sie dem 
Gesetze weichen, das für Menschen und Ma 
schinen gilt. Wir sind alle ruhebedürftig. Die 
Arbeit des Auswärtigen Amtes wäre genügend 
schwer auch ohne die Botschafterzusammenkünfte 
gewesen. 
Der Anteil an der Gesamtarbeit, welcher 
jedem der fünf Botschafter zufiel, ist natürlich 
während der letzten 5 Monate ein überaus 
schwerer gewesen, aber die Tatsache, daß London 
sozusagen die Rolle des „Clearinghouse" spielen
	        
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