Volltext: Illustrierte Geschichte des Balkankrieges 1912 - 13 Zweiter Band (Zweiter Band / 1914)

Die Schrecken des zweiten Krieges. 
583 
□□ 
getreu, daß das amtliche griechische Bureau es 
vorwog, nicht darauf einzugehen. Vicht besser er 
ging es den am südlichen Abhang des Belesch- 
gebirges gelegenen Ortschaften mit rein bul 
garischer Bevölkerung, welche größtenteils nach 
Bulgarien geflüchtet ist, dort seht die Schul 
gebäude und Kasernen füllt und der Staats 
kasse eine Last ist. 
Zuletzt noch ein Wort über den vielbe 
sprochenen Fall von Serres. Am 5. Juli wurde 
die Stadt von den Bulgaren geräumt, erst nach 
2 Tagen aber schickten die Griechen einen Leut 
nant mit einer Anzahl Truppen dorthin. Vach 
dem Abgang der bulgarischen Behörden hatte 
der griechische Bischof mit dem bis dahin ge 
heim arbeitenden Revolutionskomitee sich als Be 
hörde erklärt, und nun begann ein Regiment 
des Schreckens. Zuerst sind alle zurückgebliebenen 
Bulgaren (Männer, Frauen und Kinder) fest 
genommen und umgebracht worden. Dabei find 
unter anderen auch um ihr Leben gekommen: 
der 2. Bürgermeister von Serres mit seiner 
ganzen Familie, 2 Advokaten aus Bulgarien, 
ein Telegraphist und, was das merkwürdigste 
ist, eine armenische Familie paschian (Mann, 
Frau und 2 kleine Kinder), Angestellter der 
Regie ottomane. Die verstümmelten Leichen 
sind teils im Hofe der griechischen Metropolie, 
teils im griechischen Gymnasium von den am 
11. Juli zurückgekehrten bulgarischen Soldaten 
aufgefunden worden. Man kann sich nun das 
Entsetzen der Bulgaren vorstellen, als sie das 
Schreckenswerk der Griechen sehen mußten. Daß 
sie darnach nicht gerade sanft vorgegangen sind, 
ist leicht zu erklären. Am selben Tage noch sind 
aber die Griechen mit größerer Macht angerückt 
und haben sich wieder der Stadt bemächtigt 
und das Ierstörungswerk vollendet. Die Er 
mordung jener armenischen Familie in Serres 
hat mich um so tiefer erschüttert, als paschian, 
den ich als Beamten einer französischen Gesell 
schaft jeder Gefahr enthoben glaubte und dem 
ich deshalb den Schuh meines Hauses und 
einer jungen Verwandten von 14 Zähren, die 
ich den Gefahren der Flucht nicht aussehen 
konnte, anvertraut hatte, seine Freundschaft zu 
mir mit dem Leben hat bezahlen müssen, wie 
ich von Armeniern, die nach Sofia geflüchtet 
waren, erfuhr. Uber den Verbleib des Kindes 
hat das deutsche Konsulat in Saloniki, an das 
wir uns mit der Bitte um Ermittlungen ge 
wandt haben, bis heute noch keine Auskunft 
erteilen können. 
Die Behandlung der Kriegsgefangenen. 
Von bulgarischer Seite wurden nach dem 
Kriege gegen die Griechen schwere Anklagen 
wegen der Behandlung der Kriegsgefangenen 
erhoben. So schrieb der leitende Arzt des bul 
garischen Krankenhauses in Konstantinopel, 
Dr. Lasarow, der während des Bundeskrieges 
als Militärarzt bei der 7. bulgarischen Division 
eingezogen war, in der „Kölnischen Zeitung": 
In Saloniki stand nur das 2. Bataillon 
unseres 14. Infanterieregiments in Garnison; 
die Griechen hatten eine ganze Division, nahe 
zu an 10.000 Mann. Der Frühling hatte keine 
Entscheidung gebracht; nun war der Sommer 
da und die Ungewißheit dauerte fort. Kühler 
und schroffer waren die Beziehungen zwischen 
den Verbündeten in Saloniki geworden; es lag 
etwas in der Luft, ein Ungewitter drohte herauf 
zuziehen. Der 30. Juni war gekommen, wir 
hörten unklare Gerüchte von Kämpfen zwischen 
griechischen und bulgarischen Truppen bei Ka- 
valla. Der bulgarische Telegraph war unter 
brochen. Am Vachmittag rückten griechische 
Truppen und kretische Gendarmen an unser 
Krankenhaus und verhinderten jeden Verkehr; 
einzelne unserer Soldaten, die kommen oder 
gehen wollten, wurden verhaftet. Wir hatten 
unsere Kranken am Tage vorher in ein anderes 
Haus gebracht, bei uns befanden sich nur drei 
kranke Soldaten meines Feldlazaretts und eine 
kleine Wache von etwa 10 Mann. Von dem 
Balkon wehte eine Fahne mit dem roten Kreuz. 
Als auch Maschinengewehre und Geschütze in 
der Vähe auffuhren, trat ich aus dem Kranken 
haus heraus, um mich zu erkundigen, was das 
bedeute. Die Offiziere unseres Bataillons hatten 
vorausgesehen, daß es zu Kämpfen kommen 
würde und hofften, wie die Fremden in Peking, 
sich halten zu können, bis die Boxer von den 
unseligen vertrieben werden würden. Während 
ich mit einem Offizier in einem Hause verhan 
delte, begann hinter uns das Feuer auf das 
Krankenhaus, Salven von Infanterie, Schnell 
feuer; Maschinengewehre knatterten dazwischen. 
Die griechischen Offiziere, vor denen ich Ein 
spruch gegen die Verletzung des Rotes Kreuzes 
erhob, zuckten die Achseln. Ich wurde zum 
Kommandänten geführt, über uns hinweg fegten 
die Geschosse der Maschinengewehre. Später 
hörte ich, daß unsere Soldaten im Krankenhaus 
sich 2 Stunden gewehrt hätten, 10 gegen 1000, 
und dann überwältigt worden wären; auch der 
Priester des Krankenhauses wurde dann ge 
fangen abgeführt. Er ist später in der Ge 
fangenschaft verschwunden. Mehrere Soldaten 
waren gefallen, alle wurden lebend oder tot 
durchsucht, alle Wertsachen wurden ihnen ab 
genommen, auch 13.000 Francs der Kaffe des 
Krankenhauses wurden eingesteckt. 
Ich wurde inzwischen in die Kommandantur 
geführt; man nahm mir den Säbel ab und er 
klärte mich, trotz meines Hinweises auf die 
Genfer Bestimmungen, für gefangen. Von der
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.