Volltext: Illustrierte Geschichte des Balkankrieges 1912 - 13 Zweiter Band (Zweiter Band / 1914)

Die Schrecken des zweiten Krieges. 
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sind über hundert Dörfer in Brand gesteckt 
worden. Greise, Frauen und Kinder, alles was 
Menschenantlitz trägt, ist hingemetzelt worden; 
nur die Tiere haben sie geschont. Deswegen hat 
die ganze Bevölkerung, soweit sie es noch 
konnte, sich überall in die Berge geflüchtet und 
ist erst zurückgekehrt, als die griechischen und 
serbischen Truppen ankamen. Mit der größten 
Grausamkeit wüteten die Vulgaren namentlich 
auch gegen die Juden, die sie massenhaft in 
Strumiha, Dojran, Serres und Istip hinge- 
mordet haben. In Istip haben sie auch die 
Synagoge in Brand gesteckt, die bis auf den 
Grund zerstört worden ist. 
Am schlimmsten ist während des ganzen 
Krieges der Stadt Knjazevac mitgespielt worden. 
Das herrlich gelegene, reiche, von 5000 Men 
schen bewohnte Bezirksstädtchen ist mit seiner 
ganzen Umgebung gebrandschatzt und verwüstet 
worden. AIs ich einbog, war der Ort ausge- 
storben. Mir kamen vom Hauptquartier über 
Nisch hierher, um uns selbst von den sogar in 
diesem Kriege unerhörten Verwüstungen zu 
überzeugen. Es ist nur einem Zufall ?u danken, 
daß nicht die ganze Bevölkerung massakriert 
worden ist. Sie konnte — gewarnt durch die 
fliehenden Bauern der Grenzdörfer — noch 
rechtzeitig fliehen, ehe die Bulgaren kamen. Mir 
fanden noch brennende Häuser, in den Kauf 
läden glommen noch die Neste der Maren, die 
Hotzbrücken über den Timokfluß sind zerstört; 
alle Mertsachen und aus den Läden alle 
besseren Maren, Möbel, Bettzeug usw. haben 
die Bulgaren in 450 Lastwagen weggeschafft. 
Alles andere haben sie barbarisch demoliert. 
Selbst über Mehl und Metzen haben sie Pe 
troleum gegossen und so gehaust, daß der von 
ihnen angerichtete Schaden in Knjazevac und 
Umgebung mindestens 5 Millionen Francs be 
trägt. Selbst die Apotheke eines Tschechen 
namens Kutschern ist gänzlich zerstört, die Me 
dikamente wurden auf die Straße gestreut und 
begossen. 30 Kassen in der Stadt und alle 
Kassen in den Dorfgemeinden wurden gesprengt 
und das Geld unter die Soldaten und Offi 
ziere verteilt. Auch die hier eben jetzt be 
schäftigten Ingenieure wurden ausgeplündert; 
ein Österreicher hat allein einen Schaden von 
20.000 Francs zu beklagen. 
Noch schlimmer als in der Stadt haben die 
bulgarischen Soldaten in den Dörfern gewütet. 
10 Dörfer sind gänzlich niedergebrannt, 18 Dör 
fer bis aufs Letzte ausgeplündert. Die Be 
völkerung ist noch in den Bergen. Das Grauen 
hafteste haben die verwilderten Soldaten an 
den fliehenden Frauen und Mädchen verübt, 
auf die sie regelrechte Jagden veranstaltet haben. 
Gestern weilte hier eine internationale Arzte- 
kommission, die aus französischen, norwegischen 
und auch mehreren deutschen Atzten bestand, 
die 40 Frauen und zum Teil noch im Kindes 
alter stehende Mädchen untersucht hat und die 
bulgarischen Schandtaten feststellen konnte. Die 
Unbilden, von denen diese Armen etzählen, sind 
vor europäischen Ohren nicht zu wiederholen. 
Die Bulgaren haben sich nicht nur in Maze 
donien, sondern auch hier im Kreise von Ti- 
mok wie die Tataren benommen, von denen sie 
stammen. . . 
. .. Heute reisen mehrere Gruppen fremder 
Korrespondenten aus llsküb nach Knjazevac ab, 
um sich von den bulgarischen Greueltaten zu 
überzeugen und photographische Aufnahmen zu 
machen. Die bulgarischen Truppen, die ein 
drangen, haben sich ganz barbarisch aufgeführt. 
Alle serbischen Dörfer längs der Landstraße von 
der Grenze, bis Knjazevac wurden verbrannt 
und ausgeplündert. Selbst in Knjazevac wurden 
Kaserne, Proviantmagazin und einige Gewölbe 
in Brand gesteckt oder geplündert. Alle Brücken 
sind ruiniert. Alle verwundeten serbischen Sol 
daten sind massakriert worden, mehreren wurden 
Ohren und Nasen abgeschnitten. In dem Dorf 
Kratanice haben die Bulgaren 7 greise Bauern 
mit dem Bajonett buchstäblich in Stücke ge 
rissen. Das alles wurde photographiert. Die 
Soldaten dieser Gruppe, die 15.000 Mann 
stark war, wurden direkt von ihren Offizieren 
angewiesen, diese Barbareien, von denen sich die 
Vertreter der europäischen Presse persönlich über 
zeugen werden, zu vollziehen. Alles das hilft 
aber nichts. Das ist nur eine schwache, un 
würdige Nache für die bulgarische Niederlage 
bei Bregalnitza. 
* ' * 
* 
X Larco, der auf den Kriegsschauplatz ent 
sandte Korrespondent des „Corriere della Sera", 
hat eine Fahrt durch das verwüstete Maze 
donien unternommen, ist von Saloniki über 
Dojran bis nach Strumitza geeilt; und überall 
auf dem Mege empfingen ihn die Spuren von 
Gewalttätigkeiten, von Feuer, Tod und Ver 
nichtung. Das beginnt schon kurz nach Salo 
niki, und je weiter man in das schwer heimge 
suchte Land vordringt, umso entsetzlicher wird die 
Sprache der Tatsachen. 
Die meisten Häuser sind zerstört, wo nicht 
die Geschütze ihr Vernichtungswerk vollendeten, 
walteten die Flammen, und nur die rauchge 
schwärzten Überreste von Mauern erzählen noch 
davon, daß hier einst Heimstätten waren. Selbst 
die wenigen nicht zerstörten Häuser tragen die 
Spuren von der Vernichtungsarbeit der Flam 
men. Meite Nisse gähnen in den Mauern, 
überall fehlen die Türen, die Fenster sind ver 
kohlt oder zerschlagen, und jedes einzelne Haus 
gewährt einen unheimlichen, abschreckenden Ein
	        
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