Die Gründe des bulgarischen Zusammenbruchs.
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Ende geführt hätten, und warum man solche
Wege wählte, die sehr wahrscheinlich, ja sicher
zu bösem Ende führen mußten. -
Die Interessen Österreich-Ungarns machen
ein starkes Bulgarien erwünscht, sie bedürfen
aber noch mehr eines zufriedenen Rumäniens.
Es ergab sich von selbst, daß die Vertreter
der Monarchie in Sofia und Bukarest für eine
Verständigung zwischen Bulgarien und Ru
mänien arbeiteten. Rumänien wäre noch bis
kurz vor der Mobilmachung dazu bereit gewesen.
Es war gegen Ende Juni, als die entscheidenden
Stellen in Sofia eine hochwichtige Erklärung
Körten: daß, falls sich
Bulgarien mit Ru
mänien verständige —
es handelte sich da
mals nur um einen
10 Kilometer breiten
Streifen — und falls
sich ein Zusammen
stoß Bulgariens mit
den früheren Bundes
genossen Serbien und
Griechenland ergeben
würde, Österreich-Un
garn sich der bulga
rischen Interessen an
nehmen werde, wenn
nötig, mit der Waffe.
Rufrichtiger und deut
licher kann man nicht
sein. Und der Erfolg
war gleich Rull. Et
was früher schon war
die bulgarische Re
gierung von Bukarest
auf indirektem Wege
benachrichtigt worden,
daß Rumänien im
Falle der Berücksichti
gung seiner Wünsche
— es handelte sich
immer noch um den
10 Kilometerstreifen — bereit fei, Bulgarien die
schon lange gewünschte Donaubrücke zu bauen, es
mit Geld zu unterstützen, und, falls es nötig werde,
Bulgarien in einem Krieg gegen Serbien und
Griechenland mit einem Teil des rumänischen
Heeres zur Seite zu stehen. Schon während des
Krieges gegen die Türkei hatte Rumänien eine
Unterstützung Bulgariens durch seine Truppen,
namentlich bei Adrianopel, in Aussicht gestellt.
Bulgarien hatte abgelehnt. Ein verantwortlicher
Mann sagte mir: Wir fürchteten einen zu hohen
preis für diese Hilfe, die wir nicht brauchten,
zahlen zu müssen. Das Ergebnis dieser rumäni
schen Mitteilung war — null. Der damalige
bulgarische Gesandte Kalinkow machte einmal
Balkankrieg. II.
dem rumänischen Ministerpräsidenten Majorescu
eine Andeutung, daß nach seinem Dafürhalten
Bulgarien die rumänischen Wünsche erfüllen
müsse. Ruf die Frage, ob diese Anschauung per
sönlich sei oder von seiner Regierung geteilt
werde, mußte Kalinkow erwidern, daß seine
Regierung ihn nicht zu einer förmlichen Er
klärung in diesem Sinne ermächtigte. Rn An
deutungen hat es nicht gefehlt, an gutgemeinten
Ratschlägen auch nicht; aus dem Walde der
bulgarischen Staatsmänner kam kein Echo. Es
geschah sogar viel, um die Freunde abzuschrecken.
Als Österreich-Ungarn einen Wink erteilte, daß
es bei der Bestim
mung der Grenzen
Albaniens Wert auf
eine möglichst lange
albanesisch-bulgarische
Grenze lege, erhielt
es die Antwort, daß
eine olche Grenze in
dem mit Serbien
„streitigen Gebiet"
liege, daß daher nur
der Zar von Ruß
land darüber verfügen
könne. Es war, neben
bei gesagt, nicht die
Absicht Österreich-Un
garns, hier einen
Schachzug gegen das
russische Interesse zu
tun. Dem Vertreter
Rumäniens, Ghika,
wurde keine Gelegen
heit gegeben, erschöp
fend den Standpunkt
seiner Regierung dar
zulegen. Der große
Umfang der rumäni-
chen Gefahr, die der
Unbefangene deutlich
sah, blieb den Beru
fenen verborgen. Hatte
man nicht soeben auf Beschluß der Petersburger
Botschafter Silistria an Rumänien abgetreten?
Warum noch mehr? Bulgarien hat keine Länder
zu verschenken) Gewiß, sehr richtig, wenn es
sich um ein gerichtliches Urteil handelte, aber
Politik steht jenseits von Gut und Böse, nament
lich von Böse. Es schien nicht verstanden zu
werden, daß es sich darum handelte, ob es
zweckmäßig sei, Opfer zu bringen oder nicht.
Rumänien auf bulgarischer Seite, Österreich-
Ungarns schuhbereites Wohlwollen im Hinter
grund, das bedeutete sehr wahrscheinlich für
Bulgarien den Besitz Mazedoniens, selbst wenn
Adrianopel und Thrazien den dank den unge
stümen Komiteemännern wieder zum Leben er-
Orthodoxe Serben.
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