Volltext: Illustrierte Geschichte des Balkankrieges 1912 - 13 Zweiter Band (Zweiter Band / 1914)

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Die Aktion Rumäniens. 
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Ungarns, indem es an Bulgarien die Nusforde 
rung richtete, bekannt zu geben, was Bulgarien 
gewähren wolle, wobei es hinzufügte, es dürfe 
feine Konzessionen nicht zu niedrig bemessen. 
Am 9. Juli stand die Antwort Bulgariens auf 
die rumänische Anfrage noch aus. Die Mobili 
sierung schritt jedoch vorwärts und am >0. Juli 
meldete das Reutersche Bureau aus London: 
In hiesigen Balkankreisen wird erklärt, die 
rumänische Armee habe den Auftrag erhalten, 
in Bulgarien einzumarschieren und die rumä 
nische Regierung habe Bulgarien davon ver 
ständigt. 
Die rumänische Regierung hatte am 10. Juli 
den Beschluß gefaßt, der bulgarischen Regierung 
mitzuteilen, die rumänische Armee werde in 
bulgarisches Gebiet einrücken und Rumänien 
werde bei der endgiltigen Verteilung der Ge 
biete der europäischen Türkei mitreden. Die 
rumänische Rote hatte folgenden Inhalt: 
Seitens der rumänischen Regierung ist vor 
einiger Zeit der bulgarischen Regierung nahe 
gelegt worden, daß, falls es zum Ausbruch 
eines Krieges zwischen den Balkanverbündeten 
käme, Rumänien dieser Eventualität gegenüber 
nicht gleichgiltig bleiben könnte. Rumänien be 
halte sich für diesen Fall die Freiheit des Han 
delns vor. Bulgarien hat es nicht für nötig be 
funden darauf irgendeine Antwort zu geben; 
es hat sich vielmehr seinen bisherigen Verbün 
deten gegenüber in einer Weise verhalten, die 
einem Kriegsausbruch gleichkam. Bulgarien hat 
ohne Kriegserklärung die Feindseligkeiten be 
gonnen. Die rumänische Regierung sieht sich 
nun gezwungen, ihrer Armee den Befehl zu er 
teilen, in Bulgarien einzumarschieren. 
Am 11. Juli wurde aus Bukarest ge 
meldet: 
Der Einmarsch der rumänischen Truppen in 
Bulgarien hat begonnen. Silistria ist ohne 
irgendeinen Widerstand beseht worden. 2<X> bis 
300 bulgarische Soldaten haben sich ergeben. 
Zuerst zog eine Abteilung des 5. Jägerregi 
ments zu Pferd ein. Die bulgarischen Abtei 
lungen wurden ohne Widerstand entwaffnet. 
Die rumänische Armee ist 10 bis 15 Kilo 
meter auf bulgarisches Territorium vorgedrungen. 
Die rumänische und die muselmanische Bevölke 
rung ist begeistert. 
Es gibt in der Geschichte kaum ein Bei 
spiel, daß ein Staat in das Gebiet eines an 
deren eingedrungen wäre, der in einen Krieg 
mit den Rachbarn auf der anderen Seite ver 
wickelt war. Die rumänische Aktion war im 
voraus mit einem gewissen Makel behaftet; es 
ist immer gewagt, vom moralischen Gesichts 
punkt aus, über jemanden herzufallen, der sich 
nicht wehren kann. Bulgarien hatte wohl große 
Fehler begangen; in Bukarest mußte die Art, 
wie man in Sofia die Verhandlungen führte, 
sehr peinlich berühren. Trotz alldem war es 
kein Heldenstück, in ein Land einzumarschieren, 
deren Grenze nicht verteidigt war. Die heroische 
Geste, mit der das rumänische Volk und die 
rumänische Heeresleitung die Aktion gegen Bul 
garien aufnahmen, scheint uns heute etwas 
lächerlich; das Massenaufgebot stand keineswegs 
im Verhältnis zu dem, was von Bulgarien er 
preßt werden sollte. Die Tatsache der Mobili 
sierung allein, die Stellung eines Ultimatums 
dürften im Verein mit den Bemühungen der 
Großmächte genügt haben, Bulgarien mürbe zu 
machen, zumal es auf den beiden Kriegsschau 
plätzen nicht nur keine nennenswerten Erfolge 
erzielen konnte, sondern sich im Rachteil befand. 
Von rumänischer Seite ist der Einzug rumäni 
scher Truppen in Bulgarien wie ein Sieg ge 
feiert worden — dieser Sieg über einen nicht 
vorhandenen Feind war sehr billig zu haben. 
Eine Erklärung Danews. 
Am 11. Juli gab Ministerpräsident Doktor 
Danew in der bulgarischen Sobranje folgende 
Erklärung ab: 
Die gegenwärtige Regierung war immer 
eine Anhängerin des Friedens. Sie hat das 
Schiedsgericht des Kaisers von Rußland ange 
nommen, sie hat der russischen Regierung ein 
Memorandum überreicht und erklärt, daß sie an 
der Konferenz der Ministerpräsidenten der Bal 
kanstaaten in Petersburg teilzunehmen bereit sei. 
Wenn das Kabinett einen Krieg gewollt hätte, 
so wäre es ihm nicht schwer gewesen, ihn diplo 
matisch und gestützt auf die Weigerung Ser 
biens, den im Vertrage vorgesehenen Schieds 
spruch anzunehmen, hätte es ihn nach den gel 
tenden Gepflogenheiten erklären können, indem 
das Recht auf seiner Seite gewesen wäre. Die 
Regierung hat das nicht getan, weil sie nicht 
die Absicht hatte, Krieg zu führen. 
Unterdessen haben sich Zwischenfälle ereignet, 
die zu großen, blutigen Konflikten ausarteten. 
Die Frage, wer sie provoziert hat, wird durch 
eine Untersuchung festgestellt werden. Jedenfalls 
sind die Verteilung unserer Truppen entlang der 
ganzen Grenze von der Donau bis zum Agäi- 
schen Meer, die Anwesenheit unserer Garnison 
in Saloniki, die Richtteilnahme der anderen 
bulgarischen Armeen, von denen zahlreiche Sol 
daten infolge einer Erdbebenkatastrophe und 
wegen der Teilnahme an den Feldarbeiten von 
der Grenze zurückgehalten waren, an den Kon 
flikten Tatsachen, welche klar beweisen, daß von 
einem vorbedachten Angriffe unsererseits nicht 
die Rede sein kann.
	        
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