Volltext: Illustrierte Geschichte des Balkankrieges 1912 - 13 Zweiter Band (Zweiter Band / 1914)

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Debatte über die Balkansragen im deutschen Reichstage. 
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Die Förderung der Botschafterreunion. 
Die Situation war also die folgende: Die 
Mächte des Dreibundes, Österreich-Ungarn, 
Deutschland und Italien waren über alle Balkan 
fragen durchaus einig. Sie wollten den Frieden, 
aber nur unter der Voraussetzung, das) Lebens 
interessen durch die Reuordnung der Dinge nicht 
beeinträchtigt werden dürften. England stand, 
wenn auch nicht offiziell, so doch mit seinen 
Ansichten und Sympathien durchaus auf der 
Seite des Dreibundes. Frankreich hatte ein 
eminentes Interesse an der Erhaltung des Frie 
dens, und Rußland stand in diesem Falle ziem 
lich isoliert Österreich-Ungarn gegenüber, das 
bedingungslos auf die Hilfe seiner Verbündeten 
rechnen konnte. 
Unter diesen Umständen fiel die Anregung 
Sir Edward Greys, ein diplomatisches Forum 
zur raschen Erledigung der schwebenden Fragen 
auf ein fruchtbares Erdreich. 
Am 4. December traf der offizielle englische 
Vorschlag zur Einberufung einer Botschafter 
reunion in Men ein. Offiziös wurde mit 
geteilt: 
Der Vorschlag, betreffend die Botschafter 
reunion, geht von der englischen Regierung aus 
und bezweckt eine Vereinfachung und Konzen 
trierung des Geschäftsverkehrs. Der Vorschlag 
ist aus den Erfahrungen entstanden, die im 
Laufe der Balkankrise gemacht wurden, wo es 
sich gezeigt hat, daß der Verständigungsapparat 
ein sehr umständlicher ist, so daß man damals 
sagen konnte, daß die Ereignisse schneller sich 
vollzogen, als die diplomatischen Roten gewechselt 
wurden. Man erinnert sich, daß die Demarche 
der Mächte in Cetinje 2 Stunden nach der 
erfolgten Kriegserklärung stattgefunden hat. Der 
Vorschlag bezweckt nicht das, was man sonst 
unter einer Konferenz der Mächte versteht, son 
dern einen Meinungsaustausch, eine unverbind 
liche Besprechung, aber keinerlei definitive Be 
schlüsse. Das Wiener Kabinett steht diesem Vor 
schlag, der in keiner Weise die Interessen Öster 
reich-Ungarns gefährdet, sympatisch gegenüber 
und unterzieht ihn, im Einvernehmen mit den 
Kabinetten unserer Verbündeten, einer wohl 
wollenden Prüfung. 
Einstweilen wurde also über die Botschafter 
konferenz verhandelt. Wie Sir Edward Grey 
sich die Konferenz dachte, geht aus einigen Aus 
klärungen hervor, die der englische Staatssekretär 
am 5. December im Unterhaus gab. Darüber 
liegt folgender Bericht vor: 
Der Konservative Sykes richtete im Unter 
hause an die Regierung die Anfrage, ob im 
Falle, daß eine allgemeine europäische Konferenz 
zur Besprechung der durch den Balkankrieg ge 
schaffenen Lage vereinbart werde, die Zukunft 
Cyperns in diese Besprechung einzubeziehen sei. 
Sir Edward Grey erwiderte, es würde ver 
früht sein, Mitteilungen über Dinge zu machen, 
die vor das Forum einer Konferenz kommen 
oder nicht kommen. Die Besprechung eines Pro 
gramms sei kaum möglich, bevor darüber ent 
schieden sei, ob überhaupt der Moment für eine 
Konferenz günstig sei. 
Sodann fragte Sykes, ob die Regierung 
das Komitee für die Reichsverteidigung zur Be 
ratung heranziehen werde, ehe irgendeine Ent 
scheidung in bezug auf Cypern getroffen werde. 
Sir Edward Grey antwortete, er denke, 
daß das Komitee für die Reichsverteidigung zur 
Beratung herangezogen werden müsse, wenn, 
was bis jetzt noch nicht geschehen sei, beab 
sichtigt werde, die cyprische Frage zu besprechen. 
Lloyd fragte, ob solche Fragen, wie die 
cyprische nicht von der Beratung auf einer Kon 
ferenz ausgeschlossen werden könnten. 
Grey erklärte, es sei schon möglich, daß, 
wenn das Programm der Konferenz zur Dis 
kussion gestellt werde, gewisse Gegenstände in 
die Beratung einbezogen und andere von ihr 
ausgeschlossen werden würden. Aber bis zu dem 
Augenblick, wo man sich dahin entschieden habe, 
daß eine Konferenz opportun sei, könne auf diese 
Frage nicht eingegangen werden. 
Abgeordneter Rees fragte Sir Edward Grey, 
ob die Politik Englands hinsichtlich des Balkan 
krieges noch immer eine Politik strikter Reu- 
tralität sei, oder ob es die Politik Englands sei, 
soweit als möglich das dauernde Wohl der Bul 
garen und Hellenen zu fördern. 
Sir Edward Grey erwiderte: Unsere Politik 
hinsichtlich des Krieges ist fortgesetzt eine solche 
strikter Reutralität, doch wird der Krieg nicht 
ewig dauern und dann werden wir sehr erfreut 
sein, wenn es in unserer Macht liegt, das 
dauernde Wohl der Hellenen und Bulgaren zu 
fördern. Doch wird dies den Wunsch nicht aus 
schließen, auch das Wohl anderer Staaten zu 
fördern.
	        
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