Volltext: Illustrierte Geschichte des Balkankrieges 1912 - 13 Zweiter Band (Zweiter Band / 1914)

492 
Die Schuld am zweiten Balkankriege. 
□□ 
In der Krise der Vertragsrevision stand 
König Ferdinand nicht allein da. Die ganze 
öffentliche Meinung war im höchsten Maße 
aufgereiht durch die sich seit Monaten hinziehen- 
den Meldungen über serbische Gewalttätigkeiten 
gegen das bulgarische Element in Mazedonien. 
Die mazedonischen Patrioten waren verzweifelt 
bei der Aussicht, daß ganze mazedonische Pro 
vinzen, um deren Befreiung sie seit 2 Jahr 
zehnten mit der größten Aufopferung gekämpft 
hatten, Serbien zufallen sollten. Danew wurde 
mit dem Tode bedroht, wenn er nach Peters 
burg fahre, und gewiß machte sich der maze 
donische Druck auch im Palais fühlbar. In der 
Danewschen Partei selbst war eine um den da 
maligen Landwirtschaftsminister Ehristow ge 
scharte Gruppe, die auf eine kriegerische Lösung 
des Streites mit Serbien hindrängte. Danew 
hielt ihr stand. Endlich waren da die „Generäle", 
von denen aus wie ein verwirrendes Fluidum 
das Losungswort in die politisierenden Kreise 
hineistdrang: In 3 Tagen ist die Affäre — 
der Handstreich gegen die Verbündeten von 
gestern — erledigt) Der Herd dieser siegeszu 
versichtlichen Strömung soll im Standquartier 
Aadko Dimitrijews gewesen sein. 
Mit einem Mort: Die ganze Gesellschaft 
war außer sich über das feindselige Vorgehen 
des serbischen Verbündeten in Mazedonien, über 
seine maßlosen Teilungsansprüche, alle Melt 
war wie hypnotisiert von dem in den Straßen 
und Kaffeehäusern geflüsterten Meisterstreich „In 
3 Tagen . .", die ganze öffentliche Meinung 
(schlecht informiert und vielleicht hinters Licht 
geführt über den Zustand und die Stimmung 
der Armee) stürzte dem Kriege zu, von dem sie 
die schnellste und glücklichste Lösung der unhalt 
baren Lage erwartete. 
Mcht einer, aber wenn nicht alle, so fast 
alle waren „schuldig", schuldig im tragischen 
Sinne, denn die sachlichen und ursächlichen 
Quellen der Entstehung des zweiten Balkan- 
krieges gehören auf ein anderes Konto. 
Die Angriffsbefehle des bulgarischen 
Hauptquartiers. 
I. 
Chiffrierte Depesche. Sehr eilig. 
Aufgegeben vom Hauptquartier. 
Sofia, 15./28. (Juni 1913, 
S Uhr abends. Aufgenommen in 
Aadowischte am 15. (Juni 1913, 
8 Uhr 25 Min. abends. 
An den Befehlshaber der 2. Armee. 
Damit unser Schweigen auf die serbischen 
Angriffe den Geist der Truppen nicht schlecht 
beeinflußt und um auch dem Gegner nicht noch 
mehr Eourage zu geben, ordne ich an, daß Sie 
den Gegner auf der ganzen Linie auf das 
energischeste angreifen, ohne dabei Ihre Kräfte 
vollständig aufzudecken oder sich in langandau 
ernden Kampf einzulassen. Trachten Sie, feste 
Stellungen bei Krivolak am rechten Bregalniha- 
ufer einzunehmen. Es empfiehlt sich, daß Sie 
abends Geplänkelfeuer eröffnen und beim Mor 
gengrauen auf der ganzen Linie einen scharfen 
Angriff unternehmen. Diese Operation möge 
morgen, 16. (29.) dieses abends begonnen 
werden. 
Der Gehilfe des Oberkommandierenden: 
Generalleutnant Sawow- 
II. 
Chiffrierte Depesche. Vom 
Hauptquartier. Aufgegeben am 
17./30. (Juni 1913, 3 Uhr 
55 Min. nachm. Aufgenommen 
am J7./30. (Juni 5 Uhr 15 Min. 
abends. Sehr eilig. Aadowischte. 
Durch die Direktive Ar. 24 habe ich an 
geordnet, daß die 4. Armee ihre Angriffsope 
rationen fortsetzt, und daß die 2. Armee nach 
Durchführung ihrer Operationen auf Tschai-Azi 
ihren Aufmarsch in der angegebenen Linie be 
ginnt, um Saloniki anzugreifen. Die Herren 
Armeekommandanten werden sich vor Augen 
halten, daß diese unsere Operationen gegen 
Griechen und Serben ohne formelle Kriegs 
erklärung unternommen werden, hauptsächlich aus 
nachfolgender Erwägung: 
1. Der Geist unserer Truppen soll gewisser 
maßen gehoben und sie dazu gebracht werden, 
auf unsere bisherigen Verbündeten als Feinde 
zu schauen. 
2. Angesichts der Gefahr eines Krieges 
unter den Verbündeten soll die russische Politik 
veranlaßt werden, die Lösung des Streites zu 
beschleunigen, statt sie zu verschleppen. 
3. Durch die starken Schläge, die wir un 
seren Gegnern beibringen werden, werden wir 
sie bereitwilliger und gefügiger machen. 
4. Da wir das Gebiet, welches dieselben 
gegenwärtig besetzt halten, als das unsere be 
anspruchen, so wollen wir mit der Macht der 
Maffen neue Gebiete besetzen, was uns gelin 
gen kann, solange die europäischen Mächte durch 
ihr Einschreiten unsere militärische Aktion nicht 
zum Stehen bringen. Da eine solche Instruktion 
jede Minute zu erwarten ist, ist erforderlich, daß 
sie schnell und energisch handeln. 
Die 4. Armee möge trachten, um jeden 
preis Köprülü zu nehmen, was von großer 
politischer Bedeutung sein wird. Selbstverständ 
lich muß vordem die Linie Sultan Tepe—Kra- 
tovo—Kliseli stark besetzt werden. 
Die 2. Armee wird, sobald ihr Aufmarsch 
beendigt ist, und wenn es die Operationen der 
4. Armee erlauben, Befehl erhalten, Saloniki
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.