Volltext: Illustrierte Geschichte des Balkankrieges 1912 - 13 Zweiter Band (Zweiter Band / 1914)

Einwirken der Mächte in Belgrad und Sofia. 
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von Saloniki besehen. Nus diese Weise würden 
nur die Konflikte vermehrt und verschärft werden. 
Worauf kann sich übrigens dieser Anspruch 
gründen? Vielleicht darauf, das) die Gebiete 
westlich der Linie Enos—Midia an die Ver 
bündeten abgetreten worden sind? Aber warum 
macht man da nicht den Vorschlag, das) wir 
gemeinsam den ganzen Nest Mazedoniens und 
Thraziens mit Dedeagatsch und Adrianopel be 
sehen? Kann man behaupten, das) Bulgarien 
allein das Okkupationsrecht haben soll, während 
die übrigen Verbündeten keine Ansprüche auf 
Gebiete zu erheben haben, die die bulgarischen 
Truppen beseht halten? 
Die Bedingung, die die bulgarische Regie 
rung stellt, kommt einer Ablehnung gleich. Aber 
ist es nicht an der Zeit, unseren Geist zu er 
heben und den Mut zu haben, aus diesen 
kleinlichen Streitigkeiten, diesen Besehungsfragen, 
dieser Atmosphäre wachsender Feindseligkeit 
herauszukommen, indem wir mutig und aufrichtig 
an die Lösung des territorialen Problems heran 
gehen? Griechenland hat schon zu Beginn des 
Krieges auf diese Rotwendigkeit hingewiesen, 
es hat durchaus kein Hehl aus seiner Meinung 
gemacht, das) die Teilung der Gebiete unter 
Mitwirkung der 4 Verbündeten erfolgen müsse, 
die gemeinsam den Krieg unternommen haben. 
Es hat nicht aufgehört, zu betonen, das) die 
4 Balkanstaaten sich selbst und der zivilisierten 
Welt schuldig seien zu zeigen, das) sie imstande 
seien, diese schwierige Frage zu lösen, das) sie 
sich ihrer Verantwortung und ihrer Pflicht gegen 
über ihren Völkern tief genug bewußt seien, 
um sie durch friedliche Mittel zur Lösung zu 
bringen. 
Griechenland hofft, das) die bulgarische Re 
gierung, indem sie die große und heilige Sache 
in Erwägung zieht, für die die Balkanstaaten 
zu den Waffen gegriffen haben, gleichzeitig mit 
der Herabsetzung der Effektivstände in Maze 
donien die direkte Verständigung zwischen den 
4 Regierungen, sowie für den Fall, als dies 
nicht zum Ziele führen sollte, das allgemeine 
Schiedsgericht über die territorialen Fragen an 
nehmen werde. Memals war die Anrufung 
eines Schiedsspruches mehr angezeigt, als im 
vorliegenden Fall, wo Völker, die durch das 
Unglück der vergangenen Jahrhunderte und 
durch den siegreichen Kampf, durch den sie ihre 
Stammesgenossen befreit haben, verbunden sind, 
Staaten, deren Bestimmung es ist, nebenein 
ander zu leben, und die gemeinsame wirtschaft 
liche und politische Interessen haben, ihr zu 
künftiges Leben zu regeln und Beziehungen 
herstellen müssen, die ihren Fortschritt und ihr 
Glück für immer sichern werden. 
Aus dieser griechischen Rote ersieht man, 
wie schlimm die Verhältnisse sich bereits ge 
staltet hatten, wie die Zwietracht schon seit Mo 
naten zwischen den Verbündeten herrschte, und 
wie die Heere der Verbündeten, noch ehe der 
Friede mit der Türkei geschlossen war, überein 
ander herzufallen drohten. Es ist übrigens recht 
hübsch, immer wieder von den heiligen Ursachen 
dieses „Befreiungskrieges" zu hören, nun, da 
man sieht, wie nur Besihgier und Mordlust die 
Armeen gegeneinander warfen. Daß während 
des papierenen Krieges zwischen den Verbün 
deten auch die Waffen nicht schwiegen, versteht 
sich eigentlich von selbst. In jenen Tagen gingen 
wilde Gerüchte von scharfen Gefechten um, 
aber sie wurden zum größten Teil dementiert, 
die Verbündeten suchten noch zu verheimlichen, 
was sich unter ihnen zutrug. 
Ein Stimmungsbild aus Saloniki. 
An dem Ausbruch des Krieges unter den 
Verbündeten wurde in der letzten Junihälfte 
kaum noch gezweifelt. Richt ohne Interesse ist 
ein Stimmungsbild aus Saloniki, datiert vom 
20. Juni, das die „Dresdner Reuesten Rach 
richten" veröffentlichten, und in dem es unter 
anderm hieß: 
König Konstantin von Griechenland ist im 
Laufe der Rächt wieder hier eingetroffen und 
zwar an Bord des Kriegsschiffes „Averoff", 
was ein gewisses Befremden hervorgerufen hat, 
da der König alle früheren Reisen mit der 
königlichen Jacht „Amphitrite" vorzunehmen 
pflegte. König Konstantin hat sich heute gleich 
eingehend Bericht über die inzwischen seitens 
der griechischen Armee eingenommene Stellung 
erstatten lassen, welche insofern eine wichtige 
Änderung erfahren habe, als man davon ab 
gekommen ist, zwei ganze Divisionen im panghaion 
zu lassen, da diese Truppen dort (wie übrigens 
die Tatsachen schon bewiesen haben) leicht ab 
geschnitten und isoliert werden könnten. Man 
hat die griechische Hauptmacht nun in nord 
westlicher, nördlicher und nordöstlicher Richtung 
um Saloniki konzentriert, und zwar derart, daß 
jederzeit eine Kooperation mit den serbischen 
Truppen erfolgen könne, um einen Vormarsch 
der Bulgaren gegen die Eisenbahnlinie Salo 
niki—llsküb erfolgreich aufzuhalten und zu ver 
eiteln, weil die Bulgaren ihr Hauptaugenmerk 
darauf richten würden, die Bahnlinie in ihre 
Gewalt zu bekommen. Man sah sich griechi- 
scherseits veranlaßt, weitere Truppen aus 
Griechenland herüberzubringen; es trafen auch 
größere Munitionstransporte ein. 
Richts deutet darauf hin, daß eine fried 
liche Abwicklung der zwischen den Verbündeten 
schwebenden Fragen möglich sei. Man gibt sich
	        
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