Einwirken der Mächte in Belgrad und Sofia.
477
□□
von Saloniki besehen. Nus diese Weise würden
nur die Konflikte vermehrt und verschärft werden.
Worauf kann sich übrigens dieser Anspruch
gründen? Vielleicht darauf, das) die Gebiete
westlich der Linie Enos—Midia an die Ver
bündeten abgetreten worden sind? Aber warum
macht man da nicht den Vorschlag, das) wir
gemeinsam den ganzen Nest Mazedoniens und
Thraziens mit Dedeagatsch und Adrianopel be
sehen? Kann man behaupten, das) Bulgarien
allein das Okkupationsrecht haben soll, während
die übrigen Verbündeten keine Ansprüche auf
Gebiete zu erheben haben, die die bulgarischen
Truppen beseht halten?
Die Bedingung, die die bulgarische Regie
rung stellt, kommt einer Ablehnung gleich. Aber
ist es nicht an der Zeit, unseren Geist zu er
heben und den Mut zu haben, aus diesen
kleinlichen Streitigkeiten, diesen Besehungsfragen,
dieser Atmosphäre wachsender Feindseligkeit
herauszukommen, indem wir mutig und aufrichtig
an die Lösung des territorialen Problems heran
gehen? Griechenland hat schon zu Beginn des
Krieges auf diese Rotwendigkeit hingewiesen,
es hat durchaus kein Hehl aus seiner Meinung
gemacht, das) die Teilung der Gebiete unter
Mitwirkung der 4 Verbündeten erfolgen müsse,
die gemeinsam den Krieg unternommen haben.
Es hat nicht aufgehört, zu betonen, das) die
4 Balkanstaaten sich selbst und der zivilisierten
Welt schuldig seien zu zeigen, das) sie imstande
seien, diese schwierige Frage zu lösen, das) sie
sich ihrer Verantwortung und ihrer Pflicht gegen
über ihren Völkern tief genug bewußt seien,
um sie durch friedliche Mittel zur Lösung zu
bringen.
Griechenland hofft, das) die bulgarische Re
gierung, indem sie die große und heilige Sache
in Erwägung zieht, für die die Balkanstaaten
zu den Waffen gegriffen haben, gleichzeitig mit
der Herabsetzung der Effektivstände in Maze
donien die direkte Verständigung zwischen den
4 Regierungen, sowie für den Fall, als dies
nicht zum Ziele führen sollte, das allgemeine
Schiedsgericht über die territorialen Fragen an
nehmen werde. Memals war die Anrufung
eines Schiedsspruches mehr angezeigt, als im
vorliegenden Fall, wo Völker, die durch das
Unglück der vergangenen Jahrhunderte und
durch den siegreichen Kampf, durch den sie ihre
Stammesgenossen befreit haben, verbunden sind,
Staaten, deren Bestimmung es ist, nebenein
ander zu leben, und die gemeinsame wirtschaft
liche und politische Interessen haben, ihr zu
künftiges Leben zu regeln und Beziehungen
herstellen müssen, die ihren Fortschritt und ihr
Glück für immer sichern werden.
Aus dieser griechischen Rote ersieht man,
wie schlimm die Verhältnisse sich bereits ge
staltet hatten, wie die Zwietracht schon seit Mo
naten zwischen den Verbündeten herrschte, und
wie die Heere der Verbündeten, noch ehe der
Friede mit der Türkei geschlossen war, überein
ander herzufallen drohten. Es ist übrigens recht
hübsch, immer wieder von den heiligen Ursachen
dieses „Befreiungskrieges" zu hören, nun, da
man sieht, wie nur Besihgier und Mordlust die
Armeen gegeneinander warfen. Daß während
des papierenen Krieges zwischen den Verbün
deten auch die Waffen nicht schwiegen, versteht
sich eigentlich von selbst. In jenen Tagen gingen
wilde Gerüchte von scharfen Gefechten um,
aber sie wurden zum größten Teil dementiert,
die Verbündeten suchten noch zu verheimlichen,
was sich unter ihnen zutrug.
Ein Stimmungsbild aus Saloniki.
An dem Ausbruch des Krieges unter den
Verbündeten wurde in der letzten Junihälfte
kaum noch gezweifelt. Richt ohne Interesse ist
ein Stimmungsbild aus Saloniki, datiert vom
20. Juni, das die „Dresdner Reuesten Rach
richten" veröffentlichten, und in dem es unter
anderm hieß:
König Konstantin von Griechenland ist im
Laufe der Rächt wieder hier eingetroffen und
zwar an Bord des Kriegsschiffes „Averoff",
was ein gewisses Befremden hervorgerufen hat,
da der König alle früheren Reisen mit der
königlichen Jacht „Amphitrite" vorzunehmen
pflegte. König Konstantin hat sich heute gleich
eingehend Bericht über die inzwischen seitens
der griechischen Armee eingenommene Stellung
erstatten lassen, welche insofern eine wichtige
Änderung erfahren habe, als man davon ab
gekommen ist, zwei ganze Divisionen im panghaion
zu lassen, da diese Truppen dort (wie übrigens
die Tatsachen schon bewiesen haben) leicht ab
geschnitten und isoliert werden könnten. Man
hat die griechische Hauptmacht nun in nord
westlicher, nördlicher und nordöstlicher Richtung
um Saloniki konzentriert, und zwar derart, daß
jederzeit eine Kooperation mit den serbischen
Truppen erfolgen könne, um einen Vormarsch
der Bulgaren gegen die Eisenbahnlinie Salo
niki—llsküb erfolgreich aufzuhalten und zu ver
eiteln, weil die Bulgaren ihr Hauptaugenmerk
darauf richten würden, die Bahnlinie in ihre
Gewalt zu bekommen. Man sah sich griechi-
scherseits veranlaßt, weitere Truppen aus
Griechenland herüberzubringen; es trafen auch
größere Munitionstransporte ein.
Richts deutet darauf hin, daß eine fried
liche Abwicklung der zwischen den Verbündeten
schwebenden Fragen möglich sei. Man gibt sich