Volltext: Illustrierte Geschichte des Balkankrieges 1912 - 13 Zweiter Band (Zweiter Band / 1914)

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Einwirken der Mächte in Belgrad und Sofia. 
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artig geändert, das) dadurch die Frage der un 
bedingten Geltung des ganzen Vertrages auf 
geworfen und demnach auch der Wert der 
übrigen Klauseln des Vertrages aufgehoben 
wird. Der Vertrag ist ebenso durch die Art, 
wie er ausgeführt wurde, als auch durch die 
äußeren Umstände, welche einen entscheidenden 
Einfluß auf das endgiltige Ergebnis des Krieges 
geübt haben, erschüttert. Das Recht Serbiens 
ist ein umso größeres, als das Bündnis, welches 
M Eroberung fast des ganzen türkischen Ge 
bietes in Europa führte, mehr erreicht hat, als 
durch den Bündnisvertrag festgesetzt worden war. 
Die Teilung muß also auch eine billige sein. 
Die Grundlage, gemäß welcher man die 
Liquidierung des Kondominiums der Ver 
bündeten durchzuführen hätte, ist gan) und gar 
verändert und zerstört. Bei dem neuen Stande 
der Dinge erhält Bulgarien fein ganzes unbe 
strittenes Gebiet, während Serbien von seinem 
unbestrittenen Gebiete den westlich vom Schar- 
dagh gelegenen Teil samt dem adriatischen 
Küstengebiet verliert. Während weiter die Groß 
mächte Bulgarien außer dem unbestrittenen Ge 
biete im Westen gestatten, im Osten Thrakien 
samt Adrianopel )u behalten, nehmen sie 
Serbien den bedeutendsten Teil seines unbe 
strittenen Gebietes und weisen es Albanien M 
Die neue Grundlage, die man bei der Liqui 
dierung des gemeinsamen Besitzes )ur An 
wendung bringen sollte, müßte im gemeinsamen 
Einvernehmen aller Verbündeten festgelegt 
werden. Diese Grundlage müßte Serbien außer 
einem Teil des bestrittenen Gebietes, welches 
ihm gemäß dem Vertrage gebührt, ein plus 
sichern: 
1. Einen Gebietsteil unter dem Titel der 
Entschädigung für alle jene Aufgaben, welche 
Bulgarien nicht erfüllt hat, aber nach dem Ver 
trage hätte erfüllen sollen. 
2. Einen Gebietsteil unter dem Titel der 
Entschädigung für alle von Serbien zugunsten 
Bulgariens gebrachten Opfer, M denen es 
nach dem Vertrage nicht verhalten war. 
3. Einen Gebietsteil als Entschädigung für 
das von Bulgarien im Westen erlangte Gebiet. 
4. Einen Gebietsteil als Entschädigung für 
das unbestrittene Gebiet im Osten und das 
adriatische Küstengebiet, das Serbien verliert. 
Gemäß der Militärkonvention haben sich 
Serbien und Bulgarien verpflichtet, soferne nicht 
besondere Abkommen vorlagen, für das Schlacht 
feld am Vardar 100.000 Mann zu stellen. 
Diese Konvention, welche für die beiden ver 
tragschließenden Teile bindend ist und ausschließ 
lich das Vardarschlachtfeld betrifft, kann zu 
gunsten eines anderen Schlachtfeldes als jenes 
am Vardar weder geändert noch erweitert 
werden. Diese Abänderung besäße nur dann 
Giltigkeit, wenn es eine besondere Konvention 
gäbe, welche in der gan) gleichen Form und 
Art wie die Militärkonvention abgeschlossen 
wäre, was aber nicht der Fall ist. Die Mischen 
den Chefs des serbischen und des bulgarischen 
Generalstabes abgeschlossenen Vereinbarungen 
können die Verpflichtungen, welche aus dem 
Vertrage hervorgehen, weder abändern noch 
neue Verpflichtungen über den Vertrag hinaus 
schaffen. Durch die am Vorabend des Krieges 
abgeschlossene Konvention gelang es dem bul 
garischen Generalstab, sich von den Operationen 
am Vardar M befreien, aber in diesem Ab 
kommen übernimmt der serbische Generalstab 
keine Verpflichtung bezüglich der Operationen 
an der Maritza. Vach diesem Übereinkommen 
sollte die ganze serbische Armee in Makedonien 
operieren. Daraus geht hervor, daß Serbien 
weder nach der Militärkonvention und nach dem 
Übereinkommen der Generalstäbe bezüglich der 
Operationen an der Maritza Verpflichtungen 
übernommen hatte, während nach der Militär 
konvention und nach dem übereinkommen der 
Generalstäbe Bulgarien verpflichtet war, die 
serbische Aktion am Vardar zu unterstützen. 
Diese Hilfe Bulgariens war in der Militär 
konvention mit 100.000 Mann festgesetzt, wurde 
dann durch das Übereinkommen der General- 
stäbe zunächst auf 3 Divisionen, später durch 
ein Vachtragsübereinkommen auf eine Division, 
herabgesetzt und reduzierte sich zu Beginn des 
Krieges, und Mar ohne jede Vereinbarung, auf 
eine Brigade. 
Dies alles Mang Serbien zu Opfern, die 
es allein bringen mußte. Bei der Festsetzung 
der Ziffer von 300.000 Mann als Minimum 
für die Operationen bezeichnete die Militär 
konvention dieses Schlachtfeld sowohl vom po 
litischen als auch vom strategischen Standpunkte 
als das wichtigste. Im letzten Augenblicke je 
doch erklärte der bulgarische Generalstab, daß 
er das Operationsfeld an der Maritza als das 
wichtigste betrachte und daß Bulgarien nicht die 
3 versprochenen Divisionen nach dem Vardar 
dirigieren könne. In diesem Augenblicke war 
Serbien genötigt, Bulgarien nachzugeben. Es 
konnte nicht überlegen und nicht die Frage aus 
werfen, ob Serbien verpflichtet sei, die ganze 
Aufgabe am Vardar allein zu erfüllen. Der 
bulgarischen Hilfe beraubt, war Serbien ge- 
Mungen, eine viel stärkere Armee zu mobili 
sieren, als im Artikel 1 der Militärkonvention 
vorgesehen war. Der vollständige Erfolg wäre 
nicht möglich gewesen, wenn Serbien nicht 
neben seinen eigenen Verpflichtungen auch 
diejenigen der Bulgaren auf sich genommen 
hätte. 
Außer diesen Opfern leistete Serbien wäh 
rend der ganzen Dauer des Krieges Bulgarien
	        
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