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Einwirken der Mächte in Belgrad und Sofia.
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nämlich Dulcigno und Antivari, die durchaus
genügen, seine volle wirtschaftliche Unabhängig
keit in der Zukunft zu sichern.
Die Kooperation Griechenlands und Monte
negros im Kriege hat die Lage nicht geändert,
denn das Eingreifen der griechischen und mon
tenegrinischen Armeen, welche mit denselben
türkischen Streitkräften kämpften, die von den
Bulgaren abgeschnitten worden waren, hat die
Operationen der serbischen Armee beträchtlich
erweitert. Da anderseits die griechischen An
sprüche auf Gegenden abfielen, die entweder
unzweifelhaft griechisches oder makedonisches
Territorium sind, auf welches Serbien keinen
Anspruch zu erheben sich verpflichtet hat, so be
steht kein Grund, Griechenland an der Teilung
der einzig und allein Mischen Bulgarien und
Serbien strittigen Gebiete teilnehmen ?u lassen.
Mas die territorialen Ansprüche Montene
gros betrifft, so erklärt Bulgarien, diesbezüglich
kein Interesse zu besitzen. Da die Serben be
haupten, daß die Fortsetzung des Krieges nach
dem Scheitern der Londoner Verhandlungen
ausschließlich im Interesse Bulgariens erfolgt
sei, so muß bemerkt werden, daß der Abbruch
der Verhandlungen und die Mederaufnahme
der Feindseligkeiten im Interesse und im gemein
samen Einvernehmen der Verbündeten be
schlossen wurden, ohne daß Serbien die ge
ringste Einwendung erhoben hätte. Im Gegen
teil, Serbien hat nach der Wiederaufnahme des
Krieges seine Truppen entsandt, um Monte
negro behufs Einnahme Skutaris zu unter
stützen, wo die Feindseligkeiten nicht aufgehört
hatten, so wie sie auch vor Janina nicht zum
Stillstände gekommen waren.
Die serbische Regierung setzt sich mit dem
Vertrag in Widerspruch, wenn sie als strittige
Jone das ganze Gebiet Mischen dem Schar-
dagh, dem Rhodopegebirge, dem Archipel und
dem Ochridasee bezeichnet und wenn sie erklärt,
daß die Art der Verteilung dieses Gebietes
durch den Vertrag nicht endgiltig geregelt ist.
Artitel II des geheimen Zusatzabkommens zum
Bündnisverträge bestimmt, daß alle territorialen
Erwerbungen, die durch die gemeinsame Aktion
gemacht werden könnten, unter das Kondomi
nium der beiden Verbündeten fallen, und daß
ihre Liquidierung sofort und spätestens innerhalb
dreier Monate nach Wiederherstellung des Frie
dens erfolgen wird, und Mar auf folgenden
Grundlagen: Serbien erkennt Bulgarien das
Recht zu auf das Gebiet östlich vom Rhodope
gebirge und Struma. Bulgarien erkennt Serbien
das Recht zu auf das Gebiet nördlich und
westlich vom Schardagh.
Was das Gebiet Mischen dem Schardagh,
dem Rhodopegebirge, dem Archipel und dem
Ochridasee, das heißt Mazedonien betrifft, so
wird, wenn die beiden Teile zur Überzeugung
gelangen, daß die Organisierung dieses Ge
bietes als autonome Provinz unmöglich ist, auf
Grundlage folgender Erklärungen vorgegangen
werden:
Serbien verpflichtet sich, nichts zu verlangen
außerhalb einer Linie, die von Golemurch
nördlich von palanka an der gegenwärtigen
bulgarisch-serbischen Grenze ausgeht und im all
gemeinen in südwestlicher Richtung verläuft, um
am Ochridasee beim Kloster Gabovtzi zu endi
gen. Bulgarien verpflichtet sich, diese Grenze
anzunehmen, wenn der Kaiser von Rußland,
dessen oberster Schiedsspruch in dieser Frage
erbeten werden wird, sich zugunsten dieser Linie
ausspricht. Es versteht sich von selbst, daß die
beiden Teile die Verpflichtung übernehmen, als
definitive Grenze die Linie aufzunehmen, welche
in den oben genannten Grenzen der Kaiser als
den Rechten und Interessen beider Teile am
besten entsprechend erachten würde.
Dieser Artikel, welcher die detaillierte Trasse
der erwähnten Linie enthält, stellt die Grenzen
der strittigen Jone mit Genauigkeit fest. Wenn
die serbische Regierung mit dem Vertrage
tabula rasa machen will, vergißt sie, daß der
politische Zweck des Krieges nicht die Er
oberung strittiger oder nichtstrittiger Gebiete war,
sondern die Befreiung der bulgarischen und
serbischen Volksgenossen vom türkischen Joche,
daß für die bulgarische Ration Mazedonien
keineswegs eine res nullius oder eine Kolonie
ist, welche zerstückelt werden kann, sondern ein
Teil des lebendigen nationalen Organismus und
die Wiege der bulgarischen Kultur. Sie vergißt
auch die Kämpfe, welche die Bulgaren Maze
doniens für ihre Freiheit und für ihre nationale
Individualität geführt haben und die sie größere
Opfer gekostet haben, als die Opfer der Serben
für die Okkupation ihres Landes. Sie vergißt
endlich, daß, wenn Bulgarien die Gefahr des
Krieges mit der Türkei auf sich genommen und
doppelt so große Verluste erlitten hat, als jene
der drei anderen Verbündeten zusammenge
nommen, es dies hauptsächlich zur Befreiung
seiner unterdrückten Brüder in Mazedonien ge
tan hat.
Wenn die bulgarische Regierung nach langem
und peinlichem Zögern es akzeptiert hat, An
fechtungen bezüglich eines Teiles Mazedoniens
zuzulassen und dessen Schicksal dem Schieds
spruch des Zaren anzuvertrauen, so geschah dies,
um den Leiden ihrer Volksgenossen ein Ende
zu bereiten und weil sie Vertrauen hegte zu
dem hohen Gerechtigkeitssinne des Schieds
richters, der einen bedeutenden Teil der be
strittenen Zone dem Volke zusprechen würde,
welches die Mehrheit der Bevölkerung dieser
ganzen Zone bildet, und zu der Solidarität des