Volltext: Illustrierte Geschichte des Balkankrieges 1912 - 13 Zweiter Band (Zweiter Band / 1914)

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Einwirken der Mächte in Belgrad und Sofia. 
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mich appellieren in betreff der schweren Krise, 
welche unsere Beziehungen mit unseren Verbün 
deten durchmachen und die leider nur durch sie 
selbst hervorgerufen worden ist. 
Ich bin es der Wahrheit schuldig, Eurer 
Majestät in Erinnerung zu bringen, das) meine 
Legierung, tief durchdrungen von der Verant 
wortlichkeit, die sie auf sich genommen hätte, 
wenn sie einen anderen Weg verfolgte, im 
voraus dem Gefühle Eurer Majestät entspro 
chen hat. 
Schon am 13. April dieses Jahres hat sie 
sich in der Tat an Herrn Ssasonow gewendet, 
um ihn zu bitten, die Erregung auf beiden 
Seiten der Grenze aufhören zu machen durch 
die Einladung beider Parteien, sich dem in ihrem 
Bündnisverträge vorgesehenen Schiedssprüche zu 
unterwerfen. 
Diese Einladung ist erfolgt. Meine Legie 
rung hat sie sofort angenommen. 
Was die serbische Regierung betrifft, so 
sehte sie nur die Politik fort, deren letzte Kund 
gebung, die Erklärung des Ministerpräsidenten 
Paste in der Skupschtina, in meinem Lande 
eine um so größere Erregung hervorgerufen hat, 
als ihre Verlesung in dem Augenblicke erfolgte, 
wo eine Zusammenkunft der Ministerpräsidenten 
in Vorbereitung stand. 
Eure Majestät werden es also nicht ablehnen, 
anzuerkennen, das) Bulgarien seinem Worte treu 
gewesen ist, das) es noch immer erwartet, das) 
der Schiedsspruch in gleicher Weise und nach 
seinem Beispiel von Serbien angenommen werde, 
und das) es wohl die serbische Regierung ist, 
die, indem sie sich diesem Schiedssprüche ent 
zieht und feindliche Kundgebungen gegen Bul 
garien häuft, fortfährt, die Gefahren eines 
brudermörderischen Kampfes heraufzubeschwören. 
Diesen Kampf würden ich und meine Re 
gierung mehr beklagen, als irgend jemand. 
Wir wünschen aufrichtig, ihn zu vermeiden, 
aber wir können nicht den einmütigen Gefühlen 
der Erbitterung entgegentreten, die bei meinem 
ganzen Volke an dem Tage nach unerhörten 
Anstrengungen und ruhmreichen Siegen die 
Versuche unserer Verbündeten hervorrufen, die 
ihm, dem Rechte und dem beschworenen Glauben 
zum hohn, die heiligsten Früchte dieser An 
strengungen, dieser Siege entreißen wollen. 
Bulgarien hat nicht nur Rechte auf Maze 
donien, es hat auch unausweichliche pflichten 
gegen eine Bevölkerung, die stets bulgarisch ge 
wesen ist und es um jeden preis bleiben will. 
Und Eure Majestät werden sich zu erinnern ge 
ruhen, daß diese pflichten durch lange Jahre 
hindurch von Rußland selbst anerkannt worden 
sind. 
Soweit die Antwort des Königs von Bul 
garien, der, wie man sieht, das Verschulden 
Bulgariens an einem etwaigen Bruderkriege ab 
lehnt und auf die Verbündeten schiebt. Der 
Stand der Dinge war der: Serbien verlangte 
mit allem Rachdruck eine Revision des Vertrages, 
Bulgarien lehnte dieseRevision ebenso energischab. 
Rotenwechsel zwischen Serbien, Griechen 
land und Bulgarien. 
Serbien und Griechenland hatten in Sofia 
identische Roten abgegeben, in welchen sie die 
Demobilisierung auf ein Viertel beantragten. 
Am 15. Juni wurde die bulgarische Antwort 
erteilt. Diese Antwort hebt hervor, daß die 
Konzentrierung bulgarischer Truppen an der 
serbischen Grenze keineswegs den Charakter und 
die Tragweite habe, welche die Serben ihr bei- 
meffen. Die bulgarische Regierung habe nicht 
aufgehört, zu erklären, daß man sich zur 
Regelung der zwischen den beiden verbündeten 
Regierungen bestehenden Meinungsverschieden 
heit bezüglich der Liquidierung des Kondominiums 
in Mazedonien ehestens der Entscheidung des 
von beiden Teilen in ihrem Bündnisverträge 
gewählten obersten Schiedsrichters anvertrauen 
müsse und daß man, wenn das noch nicht ge 
schehen sei, den Grund hievon in Forderungen 
dilatorischen Charakters suchen müsse, welche der 
bulgarischen Regierung nicht zuzuschreiben seien. 
Die militärischen Maßnahmen Bulgariens 
seien nur die Folge der militärischen Maß 
nahmen Serbiens und Griechenlands. Während 
sich alle bulgarischen Truppen an der türkischen 
Grenze befanden und längs der serbischen Grenze 
in Mazedonien und Bulgarien nur 8000 Mann 
standen, habe die serbische Regierung, ohne 
damals zu berücksichtigen, daß dies eine Gefahr 
für die friedliche Regelung des Streitfalles 
bilden oder eine Erregung der Gemüter hervor 
rufen könnte, die Konzentrierung aller ihrer 
militärischen Kräfte an der bulgarischen Grenze 
angeordnet, und zwar sogar in einem höheren Aus 
maße als diejenigen waren, die im Kriege gegen 
die Türkei zur Verwendung gelangten. Ja, sie 
ging so weit, alle Reservisten dritten Aufgebotes 
unter die Fahnen zu berufen. 
Diese längst beendete Operation fiel durch 
Zufall oder infolge eines Einvernehmens mit 
einer analogen Konzentrierung aller griechischen 
Truppen an der bulgarischen Grenze zusammen, 
wo die bulgarische Regierung damals über nicht 
mehr als zwei Regimenter verfügte. Die Ent 
sendung von bulgarischen Truppen an die serbische 
Grenze zielte darauf ab, die Bevölkerung des 
Landes, insbesondere in den Grenzgebieten, zu 
beruhigen. Die von der serbischen Regierung 
ausgedrückte Befürchtung, daß die bulgarische 
Regierung in dem gegenwärtigen Falle sich nicht 
von den Gefühlen der Solidarität zwischen den 
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