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Versuche zur Einigung.
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Bulgarien nach dem Vertrage verpflichtet ge
wesen wäre, 100.000 Mann nach Mazedonien
zu entsenden, was es aber nicht getan habe.
Darauf ist zu erwidern: Aach dem ersten
Vertrage, den wir mit Serbien geschlossen haben
und der rein politischer Aatur ist, sollte Bul
garien allerdings J 00.000 Mann nach Maze
donien schicken, aber es war in dem Vertrage
vorgesehen, das) in den Militärkonventionen, die
auf Grund des politischen Vertrages von den
beiden Generalstäben abzuschließen waren, eine
genaue Bestimmung über die Verwendung der
Truppen zu erfolgen habe. Als uns dann be
kannt wurde, das) die Türken ihre Hauptmacht
in Thrazien sammelten, einigten sich der bul
garische und serbische Generalstab dahin, das)
Bulgarien 2 Divisionen nach Mazedonien und
Serbien 2 Divisionen nach Thrazien zu ent
senden habe. Es war in diesem Vertragskom
plex ganz genau vorgesehen, das) jeder Staat
jene Truppen, die er nicht brauchte, dorthin zu
senden hatte, wo sie gebraucht wurden. Wenn
man sich also auf den Standpunkt des Ver
tragstextes stellt, so können die Serben gerade
bei diesem Punkte am allerwenigsten Einwände
erheben.
Aber auch die anderen Gründe der Serben
sind nicht stichhältig. Sie sagen, Bulgarien er
halte mehr als im Vertrage vorgesehen war,
und sie weniger. Wir hätten Adrianopel erhalten
und sie hätten auf Albanien verzichten müssen.
Es ist aber im Vertrage weder von Adria
nopel noch von Albanien die Aede. Es heißt
darin, die Gebiete östlich vom Ahodopegebirge
werden Bulgarien, die nördlich vom Schar
gebirge Serbien zugewiesen. Ami, Adrianopel
liegt am Fuße des Ahodopegebirges. Wie die
Serben auf Albanien verzichten müssen, so
müssen wir auf die Gebiete östlich von der
Linie Enos—Midia, die für uns wertvoller
sind, als Albanien für Serbien, Verzicht
leisten. Und bekommen die Serben nicht den
Handelshafen an der Adria, bekommen sie nicht
die Eisenbahn?
Und müssen wir nicht anderseits Silistria
hergeben? Wir müssen dieses furchtbare Opfer
doch für den ganzen Balkanbund, für Rechnung
aller Alliierten bringen. Was würden diese da
zu sagen, wenn wir von ihnen eine Entschädi
gung verlangen würden?
Vor allem hätten die Serben als ehrliche,
loyale Verbündete uns früher darauf aufmerk
sam machen müssen, daß sie gewisse Dinge
als eine Vertragsänderung ansehen. So zu Be
ginn des Krieges, als sie mehr als die be
stimmten 150.000 Mann mobilisierten, dann
als sie die 2 Divisionen nach Adrianopel
schickten. Hätten sie uns damals gesagt, daß sie
dafür ein größeres Stück von den Er
oberungen verlangen, so hätten wir
wohl darauf verzichtet. Wir wären mit
den Türken auch ohne die 2 Divi
sionen fertig geworden.
Die serbischen Delegierten waren
ja in London, als wir Adrianopel
forderten. Hätten sie uns damals ge
sagt: wenn ihr Adrianopel bekommt,
so müssen wir auch etwas mehr be
kommen, so hätten wir vielleicht auf
Adrianopel eher als auf Mazedonien
verzichtet. Auf Mazedonien können wir
nicht verzichten, nie und nimmer.
Aoch einen Einwand der Serben
gegen den Vertrag möchte ich wider
legen. Sie sagen, als der Vertrag
abgeschlossen wurde, seien nur 2 Al
liierte dagewesen. Ja, das ist richtig,
die Griechen und die Montenegriner
sind erst später dazu gekommen, aber auf Grund
des Einwandes hätten wir Bulgaren ein Anrecht
auf Entschädigung, denn die Griechen halten
heute mazedonische Gebiete beseht, die Bulgarien
gehören, und zwar nach dem Vertrage gehören.
All das spricht gegen die serbische Forderung
nach einer Revision des Vertrages. Der Stand
punkt der Serben ist falsch, um nicht zu sagen
unsinnig. Die Serben haben früher nie von
einer Revision gesprochen, erst jetzt haben sie
damit angefangen. Aber sie klopfen bei uns an
verschlossene Türen. Wir verlangen nichts als
die Erfüllung des Vertrages, das Aecht ist auf
unserer Seite und ich denke und hoffe, daß die
ganze Welt dies auch anerkennt.
So weit Dr. Danew. Gewiß hatten auch
die bulgarischen Gründe gegen eine Revision
eine gewisse Berechtigung. Die Bulgaren konnten
Bulgarische Rekruten.