Volltext: Illustrierte Geschichte des Balkankrieges 1912 - 13 Zweiter Band (Zweiter Band / 1914)

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Das Nachgeben Montenegros. 
*vesterreich-Ungarn war bereit, bis zu den 
äußersten Konsequenzen zu gehen» um 
XJ/jl Montenegro zum Nachgeben zu zwin- 
gen. Italien stand auf dem gleichen 
Standpunkt und hatte bereits Truppen und 
Schiffe bereit gestellt, um eine militärische Aktion 
gegen Montenegro zu unternehmen. Deutsch 
land unterstützte diese Absichten und in London 
war man unbedingt dafür, das) dem Beschluß 
der Mächte in bezug auf Skutari volle Gel 
tung verschafft werde. Zwischen den Kabinetten 
der 6 Großmächte wurde fieberhaft korrespon 
diert und die nächste Folge der energischen Hal 
tung der Dreibundmächte war, daß Rußland 
und Frankreich in Letinje den dringenden Rat 
gaben, den Willen zu erfüllen. 
Montenegro blieb kein Zweifel mehr, daß 
es umsonst auf ein Eingreifen des russischen 
Freundes gerechnet hatte und damit war auch 
jede Möglichkeit eines weiteren Widerstandes 
entfallen. Man wußte in Cetinje genau, was 
kommen würde: ein Ultimatum seitens des Be 
fehlhabers der Blockadeflotte und nach Ablauf 
dieses Ultimatums die Landung internationaler 
Streitkräfte mit dem Zweck, die Montenegriner 
mit Gewalt aus Skutari zu vertreiben. Darauf 
wollte König Mkolaus es doch nicht ankommen 
lassen, und so meldete am 5. Mai der Draht 
aus Cetinje: 
Es verlautet, daß König Nikolaus ent 
schlossen sei, Skutari zu räumen. Cs heißt, daß 
eine bezügliche Mitteilung Montenegros an die 
Großmächte bevorstehe. 
In Wien wurde am gleichen Tage amtlich 
erklärt: 
Nachrichten aus Cetinje zufolge hat König 
Nikolaus beschlossen, die Mächte davon zu ver 
ständigen, daß er Skutari bedingungslos räumt. 
Eine offizielle Mitteilung an die Mächte hier 
über ist bisher noch nicht erfolgt, soll aber be 
vorstehen. Sollte diese Mitteilung tatsächlich er 
folgen und wirklich vollkommen vorbehaltlos 
lauten, so wird angesichts der bisherigen Winkel- 
züge Montenegros noch immer darauf Bedacht 
zu nehmen sein, daß es nicht bei der Ankündi 
gung der Räumung bleibe, sondern daß die 
selbe auch wirklich, und zwar ohne Verzug ins 
Werk gesetzt werde. 
Fast gleichzeitig mit der Meldung von der 
Bereitwilligkeit König Nikolaus' zur Räumung 
von Skutari kam aus Cetinje die Nachricht, daß 
das Kabinett Martinovic demissioniert habe. 
Ausführlichere amtliche Meldungen aus 
Cetinje, 5. Mai, besagten: 
Die Krise bezüglich der Forderung nach 
Räumung der Stadt Skutari ist in dem von 
den Großmächten gewünschten Sinne gelöst 
worden. 
Da sich Montenegro einer großen Pression 
Europas gegenüber befand und keine Möglich 
keit sah, daß es durch einen verlängerten Wider 
stand gelingen könnte, aus dieser Krise siegreich 
hervorzugehen, hat es gestern den Mächten nach 
gegeben und erklärt, das Schicksal Skutaris in 
die Hände der Mächte zu legen. 
Der König hat sich im letzten Moment zu 
diesem schweren Schritt entschlossen. Der König 
ist tief überzeugt, hiedurch seinem Lande und 
seinem Volke gegenüber ein großes Opfer für 
den allgemeinen Frieden zu bringen, ein Opfer, 
welches einmütig von allen Seiten, selbst unter 
Hinweis auf die drohende Gefahr der Unab 
hängigkeit Montenegros von ihm verlangt 
wurde. 
Bei seinem Entschlüsse ließ sich der König 
auch durch Rücksichten auf die Verbündeten 
leiten, indem er befürchtete, daß, wenn er bei 
seinem Widerstande beharrte, er ihre mit so 
vielen Opfern erkauften Siege gefährden könnte. 
In der vergangenen Nacht hat der König 
durch Vermittlung des englischen Gesandten an 
Sir Edward Grey eine Depesche gesandt, 
welche in Kürze folgendes besagt: 
Meine Regierung hat in ihrer Note vom 
IO. April die Gründe ihres Verhaltens in der 
Skutarifrage dargelegt. Dieses Verhalten war 
durch die unerschütterlichen Grundsätze der Ge 
rechtigkeit geleitet. Noch einmal verkünde ich 
meinem Volke mein durch die Geschichte und 
durch die Eroberung geheiligtes Recht. Meine 
Würde und die Würde meines Volkes gestatten 
mir nicht, isolierten Aktionen nachzugehen,- des 
halb lege ich das Schicksal Skutaris in die 
Hände Europas. 
Am gleichen Tage fand die Sitzung der 
Botschafterkonferenz statt, die entscheidende Be-
	        
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