Volltext: Illustrierte Geschichte des Balkankrieges 1912 - 13 Zweiter Band (Zweiter Band / 1914)

Die Übergabe von Skutari an die Montenegriner. 
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Gehölz erwünschte Deckung. Die Montenegriner 
schossen nicht schlecht. An manchen Orten mußten 
die Türken ihre Stellungen wechseln. Sie taten 
es und ließen an den alten Plätzen Lafetten 
stehen, auf welche sie Kaminrohre legten, so den 
Feind narrend. Wir fanden die eben verlassenen 
Stellungen beinahe noch „lauwarm". Mcht 
ganz geheuer erschienen uns die zahlreich herum 
liegenden Schleuderbomben und anderes Schieß 
zeug. Gewehrpatronen gab es noch in Massen 
und in einigen der wenigen zurückgelassenen 
Zelte fanden sich auch Granaten und Schrap 
nells vor. 
Und nun ermesse man: diese Befestigungen 
wurden zum größten Teil während des Krieges 
und des Waffenstillstandes 
ausgeführt. Aach einem sehr 
schwachen Widerstande in 
Tuzi zogen sich die Türken 
schon im Aovember lang 
sam nach Skutari zurück. 
In aller Eile wurde das 
Bardagnolgebirge, Tara 
bosch und Brdica befestigt 
und wäre nicht der Hunger 
gekommen und Mangel an 
Munition und eine geheime 
Abmachung mit dem nach 
dem albanesischen Thron 
sessel lüsternen Essad Pa 
scha, so hätten die Monte 
negriner und Serben wohl 
nur mit schweren Opfern 
den endlichen Sieg errungen. 
Man muß freilich nicht 
außer acht lassen, daß bei 
spielsweise die beiden Sku 
tari flankierenden Berge 
Tarabosch und Bardagnol 
schon an sich Befestigungen 
boten. Aber es wollte doch 
etwas bedeuten, auf dem 
kahlen Geröllberg Tarabosch eine breite Artil 
leriestraße zu bauen und sich an den lockern 
Hängen festzukrallen. Geradezu erstaunlich sind 
die Verbauungen hier, die Terrassen und 
Schuhmauern, die Gräben und Unterschlupfe, 
die erstellt wurden. Der Kamm des Berges 
ist nicht 40 Meter breit. Die Hauptstellung 
der Türken befand sich auf dem Gipfel und 
war durch 3 je 40 Meter auseinander 
stehende Drahtzäune geschützt. Hier floß monte 
negrinisches Blut in Strömen, bis sie 2 Draht 
hindernisse genommen und sich notdürftig ver 
schanzt hatten. Zwischen den beiden, nur 40 Meter 
voneinander getrennten Stellungen liegen heute 
noch wohl ein halbes hundert türkische Leichen 
mit den gräßlichsten Verstümmlungen. Die Tür 
ken konnten ihre Brüder nicht bergen, die Monte- 
Balkankrieg. II. 
negriner vetzichteten auf das Bestattungswerk an 
den Feinden. Auch an den steilen Hängen zu 
beiden Seiten des Kammes fault mancher zer 
fetzte Leichnam. Besonders grauenerregend ist 
eine Gruppe von vielleicht 7 Körpern, bei der 
auf einem Leibe 3 abgeschlagene Köpfe neben 
einander gestellt sind, während ein Kadaver mit 
blonden langen Haaren in aufrecht sitzender 
Stellung seit wer weiß wie vielen Wochen 
Wache hält. Einem anderen Toten hat ein Scheu 
sal einen faustgroßen Stein in den aufgesperrten 
Mund gesteckt. 
Merkwürdig erscheint es einem, wenn man 
in allen verlassenen Schanzengräben und Lagern 
ganze Bibliotheken türkischer Bücher findet, dazu 
Aotizhefte, Musikblätter, 
auch eine zerschmetterte Man 
doline und — junge Hunde. 
Mcht weniger kunstge 
recht sind die Bauten am 
großen, am kleinen Bar 
dagnol, am Muselimihügel, 
nur mit der Unterscheidung, 
daß hier alle Gräben aus 
hartem Stein geschlagen 
werden mußten. Auffallend 
bleiben die geschlossenen 
Stellungen und es mag 
wahr sein, was uns Über 
läufer oft etzählten, daß 
die Offtziere nur auf diese 
Weise die Soldaten vor 
Fahnenflucht hindern konn 
ten. Der Muselimihügel 
bildet eine völlig abge 
schlossene Festung, aus der 
es kein Entrinnen gab, als 
über die Schanden zu klet 
tern und sich dem Feuer 
der Feinde auszusehen. 
Wenn man jetzt durch die 
gewundenen Gräben schrei 
tet, geht der Fuß über Leichen. Fiel einer, so 
ließ man ihn liegen und deckte einige Sand 
säcke über ihn. Aber mancher streckt noch heute 
Hände und Füße aus seinem unbequemen Grab. 
Alle diese Befestigungen sind das Werk des 
energischen Hassan Mza Bey, der am 29. Ja 
nuar eines infamen Todes sterben mußte. Mir 
wurden im Gefängnis 2 Albanesen gezeigt, die 
der Täterschaft angeklagt waren. Dabei be 
zeichnete man offen die Offtziere, die den Mord 
begangen haben. Des Gemordeten Ansehen wird 
nicht untergehen, obgleich die Montenegriner seit 
heute begannen, die Drahtzäune abzubrechen. 
Er war die Seele der Verteidigung, deren Leben 
mit dem Tode des Körpers keineswegs aufhörte. 
Heute herrschte ungewöhnlich reges mili 
tärisches Leben in der Stadt und die aufge- 
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Oberst Hassan Aya Bey, der Kommandant von 
Skutari.
	        
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