Volltext: Illustrierte Geschichte des Balkankrieges 1912 - 13 Zweiter Band (Zweiter Band / 1914)

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Die Übergabe von Skulari an die Montenegriner. 
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um den König versammelt. Um Mitternacht be 
gab sich der König zur Auhe, erteilte jedoch 
vorher noch den Auftrag, ihn im Falle des Ein 
treffens irgendeiner Nachricht zu wecken. Um 
1 Uhr 20 Minuten läutete das Telephon und 
man hörte die Stimme des Erbprinzen Danilo, 
der in feierlichem Tone verkündete: 
„In diesem Moment wird das Ubergabs 
protokoll unterzeichnet. Meine Glückwünsche dem 
König für das montenegrinische Skutaril" 
Die Prinzessinnen und die Minister riefen 
dem Kronprinzen durch das Telephon ein lautes 
Hoch zu, das vom Generalstab in Iogaj er 
widert wurde. Gleich darauf begab sich der Hof 
marschall zum König und teilte ihm die Aach 
richt mit. 
Heute sind die ersten montenegrinischen 
Truppen in Skutari eingebogen, während die 
Türken sich zum Abmarsch anschickten, vielleicht 
um Dschavid Pascha zu erreichen. Das Abbrennen 
eines alten Mörsers hatte die ganze Bevölke 
rung von Cetinje aus dem Schlafe geweckt, 
die fortwährenden Schüsse aus dem alten Mörser, 
die Gewehrsalven und das Läuten der Glocken 
verkündeten der Stadt, daß Skutari gefallen sei. 
Der Korrespondent des „Daily Expreß" 
meldete aus Cetinje, 24. April: 
Skutari ist nicht durch Gewalt gefallen. Es 
gab keinen allgemeinen Frontangriff mit schweren 
Verlusten für die Montenegriner, die gegenteilige 
Darstellung wurde in Cetinje den Ieitungs- 
korrespondenten gegeben, damit Montenegro 
sagen könne, Skutari sei mit Waffengewalt ge 
nommen worden. 
In Wahrheit waren die Verhandlungen 
über die Übergabe Skutaris damals schon im 
Gange und das Übereinkommen sollte am 
21. April unterzeichnet werden. 
Da erfuhr Essad Pascha zufällig, daß die 
Serben sich zurückgezogen hatten und brach die 
Verhandlungen ab. 
General Vukotic teilte nun Essad Pascha 
mit, daß die Montenegriner die früheren Posi 
tionen der Serben bereits beseht hätten und um 
das glaubhafter zu machen, dirigierte er Mon 
tag nachts das Feuer seiner ganzen Artillerie 
auf Brdica, welches das Angriffsobjekt der 
Serben gewesen war. Die Kriegslist glückte, 
Essad Pascha gewann den Eindruck, daß der 
Abzug der Serben die Montenegriner nicht ge 
schwächt habe. Er nahm die Verhandlungen 
Dienstag wieder auf und übergab die Stadt 
ohne Garnison und Geschütze, worauf er sich 
mit seinen Truppen nach Tirana zurückzog. 
Aus amtlicher montenegrinischer Tuelle wurde 
.am 23. April, 4 Uhr nachmittags, aus Cetinje 
gemeldet: 
Die Verhandlungen über die Übergabe von 
Skutari dauerten 2 Tage. Vorgestern entsendete 
Essad Pascha einen Parlamentär zum Kron 
prinzen Danilo und schlug die Kapitulation vor 
mit der Bitte, in Verhandlungen einzutreten. 
General Vukotic wurde daraufhin als Parla 
mentär entsendet. Die Verhandlungen dauerten 
den ganzen Tag, blieben jedoch ergebnislos. In 
der Aacht ergriffen die Montenegriner die 
Offensive. 
Gestern erschien ein neuer Parlamentär 
Essad Paschas mit dem Ersuchen um Wieder 
aufnahme der Verhandlungen. General Vukotic 
begab sich wieder nach Skutari mit der In 
struktion, sich dem Feinde gegenüber, der so 
mutig gewesen sei, möglichst großmütig zu er 
weisen und den Abzug mit militärischen Ehren 
und mit den Waffen, nötigenfalls sogar mit der 
leichten Artillerie zu ermöglichen. 
Auf diesen Grundlagen wurde gestern um 
6 Uhr abends das Übergabsprotokoll von Effad 
Pascha und General Vukotic unterzeichnet. Die 
Aäumung der Stadt begann alsbald, sie wurde 
heute fortgesetzt und wird morgen gegen Mittag 
vollzogen sein. 
General Martinovic hat den König tele 
graphisch von der Besetzung des Tarabosch ver 
ständigt. 
Kronprinz Danilo wird morgen mittags feier 
lich in Skutari einziehen. 
Der König und die Königin sandten heute 
früh von Virpazar aus 3 Boten mit Proviant 
und Sanitätsmaterial als erste Hilfe. 3m 
ganzen Lande finden große Kundgebungen statt. 
Der König erhält aus den besetzten Gebieten 
zahllose Glückwunschtelegramme. Für den feier 
lichen Einzug des Königs in Skutari werden 
Vorbereitungen getroffen. 
Effad Pascha begibt sich mit der Garnison 
nach seiner Heimat Tirana. Die Montenegriner 
haben in Skutari 120 Kanonen, darunter 40 
Schnellfeuergeschütze und 14 Haubitzen, sowie 
zahlreiches Kriegmaterial erbeutet. 
Es ist interessant, daß man in Cetinje noch 
immer die Fiktion aufrechterhalten wollte, als 
wäre Skutari wirklich, wenigstens zum Teil 
durch die Gewalt der Waffen erobert worden. 
Was die Beute anlangt, handelte es sich, wie 
nachträglich festgestellt wurde, zum größten Teil 
um untaugliches Material, das Effad Pascha 
nicht mitnehmen wollte, vielleicht auch nicht mit 
nehmen konnte. 
Das türkische Kriegsministerium hat nach 
einer Depesche aus Konstantinopel vom Kom 
mandanten der Festung Skutari, Essad Pascha, 
auf dem Wege über Cetinje ein Telegramm er 
halten, wonach der Kommandant infolge der
	        
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