Volltext: Illustrierte Geschichte des Balkankrieges 1912 - 13 Zweiter Band (Zweiter Band / 1914)

Die panslawistische Propaganda in Ausland. 
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So drohte ein Offizier, er werde seinen Säbel 
ziehen, wenn die Polyei auf ihn eindringe. Die 
Volksmenge trug diesen Offizier auf den Schul 
tern. Die Polizei zog sich zurück und auch wei 
tere Versuche, die Menge zum Stillstand zu 
bringen, waren erfolglos. 
Die Volksmenge zog noch, nachdem sie dem 
griechischen Gesandten Ovationen bereitet und 
von ihm eine griechische Fahne erhalten hatte, 
zum Isaaksplah, wo sie bereit schien, vor der 
deutschen Botschaft feindselige Demonstrationen 
zu veranstalten, Hier wurde die Polizei energi 
scher und die Menge begann sich zu zerstreuen. 
Um 9 Uhr abends konnte die Demonstration, 
nachdem sie 7 Stunden gedauert hatte, als be 
endigt angesehen werden. 
Unter solchen Umständen ist es wenig ver 
wunderlich, wenn man in 
Cetinje und Belgrad trotz der 
offiziellenFriedenspolitikSsa- 
sonows damit rechnen zu 
dürfen glaubte, das) Aus 
land schließlich für die sla 
wischen Forderungen sich ein 
setzen und dem verhaßten 
Österreich-Ungarn in den Arm 
fallen würde. Man erklärte 
die Tatsache, daß Rußland 
zur Flottendemonstration kein 
eigenes Schiff entsendet hatte, 
als ein günstiges Vorzeichen, 
und nicht nur die Sprache 
der russischen Volksversamm 
lungen und der russischen 
Presse, sondern auch die Hal 
tung der französischen Politik 
bestärkte Serbien und Monte 
negro in der Zuversicht, daß 
trotz der gefährlichen Rähe 
der österreichischen Kriegs 
schiffe nichts geschehen würde. Die französische 
Presse, und zwar in erster Linie die der Regierung 
nahestehende, glaubte noch slawischer sein zu 
müssen, als die russische, und was in diesen 
Tagen an Ausfällen gegen Deutschland und 
Österreich-Ungarn in den pariser Blättern zu 
finden war, muß heute noch den Gedanken 
nahelegen, daß man damals in Paris an einen 
Krieg gegen Deutschland nicht nur dachte, 
sondern ihn auch für unvermeidlich hielt. 
Dazu kam für König Mkolaus von Monte 
negro, daß der König von Italien sein 
Schwiegersohn war. Bei den patriarchalischen 
Anschauungen, die König Mkolaus zuweilen 
an den Tag legte, mußte der Gedanke nahe 
liegen, daß König Viktor Emanuel nicht gegen 
den Vater seiner Frau Maßregeln ergreifen 
würde, wie sie unter so nahen Verwandten nicht 
üblich sind. 
Und so lag die Flotte vor Antivari und die 
vereinigten Montenegriner und Serben rüsteten 
sich zum Generalsturm auf den Tarabosch. Die 
Besatzung der Kriegsschiffe des Demonstrations 
geschwaders konnten die schweren Geschütze 
donnern hören. 
Ein Kompensationsangebot an Monte 
negro. 
Selbst in London schien man zu großer 
Milde dem widerspenstigen Montenegro gegen 
über geneigt. Am 9. April wurde aus der 
englischen Hauptstadt berichtet: 
Ein Vorschlag, den König von Montenegro 
durch finanzielle Kompensationen zum Aufgeben 
seiner Ansprüche auf Skutari zu veranlassen, 
geht von Italien aus. Un 
gefähr vor einer Woche trat 
der langjährige italienische 
Gesandte in Montenegro, 
Baron Squitti, an König 
Mkolaus heran und fragte 
ihn im Aufträge des Königs 
von Italien, ob er eventuell 
geneigt wäre, eine finanzielle 
Kompensation in Form einer 
Anleihe für das Fallenlassen 
seiner Ansprüche auf Skutari 
anzunehmen. 
Wie König Mkolaus sich 
zu diesem Vorschlag geäußert 
hat, ist nicht bekannt, jedoch 
dürfte seine Antwort keine 
durchaus ablehnende gewesen 
sein, denn in der gestrigen 
Sitzung der Londoner Bot 
schafterreunion brachte der 
italienische Botschafter im 
Aufträge seiner Regierung 
diesen Antrag formell vor und man hatte Grund 
zur Annahme, daß er es nicht getan haben 
würde, wenn er einer ablehnenden Haltung des 
Königs Mkolaus gewärtig sein müßte. 
Gleichzeitig ist auch der russische Gesandte 
in Cetinje, Herr v. Giers, bemüht, König 
Mkolaus zur Annahme dieses Vorschlages zu 
bewegen. 
Man hat in Wien vor ungefähr 4 bis 5 
Tagen angefragt, wie sich die österreichisch- 
ungarische Regierung zu dem Vorschlage ver 
halten würde, König Mkolaus nebst der 
finanziellen Kompensation auch noch durch Über 
lassung eines Küstenstriches am Adriatischen 
Meere für Skutari zu entschädigen. Dieser Vor 
schlag wurde in Wien abgelehnt. 
Dagegen erscheint es als ziemlich sicher, daß 
Montenegro im Sandschak Rovibazar auf 
Kosten Serbiens Entschädigungen erhält. 
Der österreichische Kontreadmiral Ajegovan.
	        
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