Volltext: Illustrierte Geschichte des Balkankrieges 1912 - 13 Zweiter Band (Zweiter Band / 1914)

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Deutschlands Bundestreue. 
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Aachbarn und der Gesamtheit der europäischen 
Staaten bringen wird. Dann werden auch sie 
ein Faktor des Fortschrittes und des europäischen 
Friedens sein. 
Trotzdem bleibt das eine unzweifelhaft: sollte 
es einmal zu einer europäischen Konflagration 
kommen, die das Slawentum dem Germanen 
tum gegenüberstellt, dann ist es für uns ein 
Aachteil, daß die Stelle im Gegengewicht der 
Kräfte, die bisher von der europäischen Türkei 
eingenommen wurde, jetzt zum Teil von slawi 
schen Staaten beseht ist. Diese Verschiebung 
der militärpolitischen Situation hat sich vorbe 
reitet. (letzt, wo sie eingetreten ist, würden wir 
gewissenlos handeln, wenn wir nicht die Konse 
quenzen daraus ziehen. Ich sage dies nicht, 
weil ich einen Zusammenstoß zwischen dem 
Slawentum und dem Germanentum für unaus 
bleiblich halte. Manche Publizisten vertreten das 
Gegenteil und das ist ein gefährliches Unter 
nehmen. Solche Thesen wirken als in die Ohren 
fallende Schlagwörter suggestiv und düngen den 
Boden, auf dem mißleitete Volksleidenschaften 
in die Halme schießen. 
Mit der Aegierung Außlands, unserem 
großen slawischen Aachbarreich, stehen wir in 
freundschaftlichen Beziehungen. Ich habe es, 
seitdem ich im Amte bin, für meine Aufgabe 
angesehen, mit dem russischen Kabinett offene 
und vertrauensvolle Beziehungen zu unterhalten 
und aus dem Gang der Geschichte und aus 
meinen persönlichen Beziehungen zu den Staats 
männern, die nach dem Willen des Kaisers 
Aikolaus die russische Politik in den Bahnen 
guter Freundschaft mit Deutschland erhalten, 
habe ich den Eindruck gewonnen, daß meine 
Bestrebungen nicht unerwidert geblieben sind. 
Direkte Interessengegensätze zwischen Deutschland 
und Außland kenne ich nicht. Deutschland und 
Rußland können an ihrer wirtschaftlichen und 
kulturellen Erstarkung arbeiten ohne sich gegen 
seitig ins Gehege zu kommen. Gute gegen 
seitige Beziehungen können diese Entwicklung 
nur befördern. Aassengegensätze allein werden 
zu keinem Kriege zwischen uns und Außland 
führen. Wir jedenfalls werden ihn nicht ent 
fachen und die gegenwärtigen russischen Macht 
haber werden es auch nicht tun. Das glaube 
ich nicht. 
Aber den russischen Staatsmännern ist so 
gut wie uns bekannt, daß die panslawistischen 
Strömungen, über die schon Bismarck geklagt 
hat, die schon Bismarck beunruhigten, durch die 
Siege der Balkanslawen mächtig gefördert wor 
den sind. Die bulgarischen Siege werden von 
diesen Kreisen zum Teil als Siege des slawi 
schen Gedankens im Gegensatze zu dem ger 
manischen Gedanken gefeiert. 
Ich brauche nicht auf die erregten Aus 
einandersehungen hinzuweisen, die zwischen einem 
Teile der russischen und der österreichisch-ungari 
schen Presse stattgefunden haben. Sie sind allen 
bekannt. In diesen leidenschaftlichen publizistischen 
Fehden klingt die Erinnerung an alle Unstimmig 
keiten wieder, die seit Jahren das Balkanproblem 
zwischen Österreich-Ungarn und Außland ent 
stehen ließ. Wir sind bemüht, diese Spannung 
zu mildern, so weit es möglich ist, aber den 
Kopf in den Sand stecken dürfen wir trotzdem 
nicht. Denn daß wir unsere Bundestreue auch 
über die diplomatische Vermittlung hinaus ge 
währen, ist selbstverständlich. 
Durch die neue und akute Belebung der 
Aassengegensähe erhält aber die Verschiebung 
der militärpolitischen Situation, die durch den 
Balkankrieg entstanden ist, erhöhte Bedeutung. 
Wir sind gezwungen, sie in Rechnung zu 
stellen, wenn wir an die Zukunft denken. 
Unsere Beziehungen zur französischen Ae 
gierung sind gut. Bismarck hat in seiner großen 
Rede vom 11. Januar 1887 diese Beziehungen 
geschildert, wie sie sich im Laufe der Geschichte 
entwickelt haben und wie sie sich durch den 
nationalen Charakter der Franzosen gestaltet 
haben. Er sagte damals, wenn die Franzosen 
so lange Frieden halten wollen, bis wir sie an 
greifen, wenn wir dessen sicher wären, dann 
wäre der Friede für immer gesichert. Daran 
hat sich nichts geändert. Wir haben in diesem 
40jährigen Zeitraum auch in kritischen Mo 
menten der Welt und Frankreich so viele Be 
weise davon gegeben, daß wir auch mit unserem 
westlichen Aachbar schiedlich-friedlich leben wollen, 
daß dieser unser Wunsch durch Worte nicht 
bestätigt zu werden braucht. Bismarck besorgte 
damals einen Angriff Frankreichs, wenn eine 
kriegerisch gesonnene oder durch innere Schwierig 
keiten zu auswärtigen Aktionen gedrängte Re 
gierung ans Ruder käme und wenn Frankreich 
irgendeinen Grund habe, zu glauben, daß es 
uns überlegen sei, sei es wegen der eigenen 
militärischen Stärke, sei es auf Grund bestehen 
der Bedürfnisse. Bismarck hat keine dieser 
Eventualitäten im Amte erlebt. 
Der Kanzler sprach sodann eingehend über 
die Beziehungen zu Frankreich und führte, sich 
dem Dreibund zuwendend, folgendes aus: 
Die Friedensgarantien, die in unserem engen 
Bündnisse mit Österreich-Ungarn und Italien 
liegen, schätze ich hoch ein, überzeugt vom 
großen Wert des Dreibundes. Für die in ihm ver 
einigten Völker haben wir ihn erneut, und er 
steht so fest zusammen wie je. Er dient nicht 
nur den verbündeten Völkern, sondern er dient 
der Welt. Diese Probe hat er doch wirklich ab 
gelegt. Trotzdem bleibt Deutschland auch mit 
dem Dreibund und gerade als die gegen Osten 
und Westen vorgeschobene Macht des Drei
	        
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