Volltext: Illustrierte Geschichte des Balkankrieges 1912 - 13 Zweiter Band (Zweiter Band / 1914)

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Deutschlands Bundestreue. 
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lischen, französischen und vielleicht auch der ita- Österreich-Ungarn, weil man diesem mißtraute, 
lienischen Schiffe vor Antivari hatte nur den die Schiffe der fremden Mächte mußten acht 
Zweck, eine österreichische Sonderaktion zu ver- geben, daß den Montenegrinern von österreichi- 
hindern. Man demonstrierte gemeinsam mit scher Seite nichts geschah. 
Deutschlands Bundestreue. 
er europäische Friede stand in jenen 
Tagen auf sehr schwachen Füßen trotz 
der österreichisch-russischen Abrüstung, 
die auch vorderhand noch nicht allzu 
energisch betrieben wurde. Da war es nicht un 
interessant, daß von deutscher Seite mit beson 
derem Nachdruck auf das deutsch-österreichische 
Bündnis hingewiesen wurde. Am 3. April gab 
in der Budgetkommission des deutschen Reichs 
tages der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes 
v. Jagow ausführliche Mitteilung über die aus 
wärtige Lage. 
Der Staatssekretär sprach über die Entste 
hung des Balkanbundes, wandte sich hierauf 
der albanesischen Frage zu, bei der die deutsche 
Diplomatie sich ständig auf seiten der Ver 
bündeten gehalten habe unter Benützung jeder 
Gelegenheit zu vermittelndem Eingreifen. 
Im ganzen Verlaufe dieser Frage habe 
Deutschland treu zu Österreich-Ungarn gestanden 
und sei auch sofort aus den Wunsch seines Ver 
bündeten bereit gewesen, an der Flottendemon 
stration an der montenegrinischen Küste teilzu 
nehmen. Me sich bei weiterer Hartnäckigkeit 
Montenegros diese Angelegenheit weiter ent 
wickeln werde, darüber lasse sich heute noch nichts 
sagen. 
Die Mächte sind .jedenfalls darüber einig, 
daß Skutari als die größte von Albanesen be 
wohnte Stadt zu Albanien geschlagen werden 
müsse. Dieser Beschluß ist gefaßt worden, nach 
dem über das Schicksal von Ipek, prizrend und 
Djakova eine Einigung erzielt worden ist. 
Aus dieser Mitteilung erfuhr man, daß Ipek, 
prizrend und Djakova von Albanien losge 
trennt worden waren; diese Städte waren der 
Kaufpreis, mit dem Österreich-Ungarn das Ver 
bleiben Skutaris bei Albanien bezahlte. Das 
wichtigste an der Erklärung war aber die Be 
tonung der Bundestreue, die Deutschland Öster 
reich-Ungarn zu halten bereit war. 
Eine Rede des deutschen Reichskanzlers. 
Der deutsche Reichskanzler hat in der 
Sitzung des Reichstages am 7. April diese 
Bundestreue in einer großangelegten Rede noch 
stärker und bedeutsamer betont. Der Reichs 
kanzler sagte mit Bezug auf die Flottendemon 
stration : 
Jetzt handelt es sich darum, daß die Ent 
schließungen der Großmächte zur Geltung ge 
bracht werden. Mr sind entschlossen, aus das 
Energischeste dabei mitzuwirken. 
Rach dem Falle von Adrianopel hätte man 
annehmen können, daß es bald zum Frieden 
kommen würde. Das ist aber leider bisher nicht 
geschehen. Die Türkei hat die ihr von den 
Großmächten unterbreiteten Vorschläge für den 
Friedensschluß akzeptiert, die Antwort der Bal 
kanstaaten ist dagegen erst vorgestern einge 
gangen. Diese Antwort unterliegt gegenwärtig 
der Beschlußfassung der Gesamtheit der Groß 
mächte. Ich muß mich daher enthalten, heute 
näher darauf einzugehen, denn hier, gegenüber 
dem herausfordernden Widerstande von Monte 
negro, kommt es darauf an, daß das bisherige 
Zusammenarbeiten der Großmächte auch weiter 
hin standhält. 
An der Flottendemonstration nehmen alle 
Großmächte mit Ausnahme von Rußland teil, 
das indessen die Aktion an sich sanktioniert hat. 
Ich wiederhole: die Londoner Beschlüsse müssen 
schleunigst und mit Rachdruck durchgeführt wer 
den, dann wird sich auch für die noch ungelösten 
Fragen eine friedliche Erledigung finden. 
Alle diese Vorgänge, die Behutsamkeit und 
die Vorsicht, mit der die Londoner Besprechun 
gen geführt werden, die Haltung, die die Groß 
mächte gegenüber den kriegführenden Staaten 
und diese gegenüber den Großmächten einnehmen, 
zeigen doch sehr eindringlich, daß die Ereignisse 
auf dem Balkan die Verhältnisse der Groß 
mächte zueinander nicht nur sehr eng berühren, 
sondern auch verhängnisvoll stören können. Bis 
jetzt ist es vor allem die albanesische Frage ge 
wesen, die Interessengegensätze zwischen einem 
Teil der Großmächte hat hervortreten lassen. 
Für die Zukunft ist es entscheidend, daß an die 
Stelle der europäischen Türkei mit ihrem passiv 
gewordenen staatlichen Leben Staaten getreten 
sind, die eine ganz außergewöhnlich aktive Le 
benskraft dokumentieren. 
Wir alle haben ein Interesse daran, daß 
sich diese Kraft in der Friedensarbeit ebenso 
bewährt, wie sie es im Kriege getan hat, und 
daß die Balkanstaaten einer Epoche langer 
Friedenszeit entgegensehen, die sie in wirtschaft 
liche und kulturelle Zusammenhänge mit ihren 
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