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Die Ermordung des Königs Georg von Griechenland.
na
können, es hoffte auch dort, wo in diesen Ge
bieten selbst sich keine Kraft regen konnte, um
die türkische Herrschaft abzuschütteln. Am die
Kreter erhoben sich immer wieder und die
Kretafrage war eine Tuelle ständiger Erregung
für die griechische Nation. Schon während des
Aufstandes vom (fahre 1868 gingen Freiwillige
in Menge aus dem Königreich nach der Insel,
und der junge König begünstigte ihre Expedition,
vermochte aber natürlich nicht, die Großmächte
daxu xu bestimmen, der Türkei gewaltsam ihren
Besitz wegzunehmen. 29 Jahre später sehte er
sich wieder für die kretische Sache ein, und ob
wohl er persönlich sich klar darüber war, was
ein Feldxug gegen die Türkei für das isolierte
Griechenland bedeutete, wollte er doch der all
gemeinen Begeisterung nicht Widerstand leisten.
Griechische Truppen xogen nach Kreta, aber
die schweren Niederlagen in Thessalien xwangen
sie, es wieder xu verlassen. Der Gewinn, der
trotzdem verblieb, die Einsetzung des prinxen
Georg zum Gouverneur von Kreta, war den
persönlichen Begehungen des prinxen und des
Königs selbst xu verdanken. So viel war aber
auch erxielt, daß türkische Soldaten nicht mehr
auf der Insel xu sehen waren und ungeduldig
wartete nun die Nation auf die völlige Ver
einigung. Sie wurde von den Kretensern pro
klamiert, nachdem Bulgarien seine Unabhängig
keit ausgesprochen hatte, aber von den Mächten
wurde sie nicht anerkannt, auch von denen
nicht, die sie dem König mehr oder weniger be
stimmt xugesagt hatten. Seine Position wurde
dadurch sehr geschwächt, besonders da noch vom
theffalischen Feldxug her auch der Kronprinx
in Mißkredit stand — sehr mit Unrecht, wie
die Kriegsereignisse gexeigt haben.
König Georg hatte erreicht, was er sein
ganxes Leben hindurch patriotisch anstrebte. Den
Friedensschluß jedoch, der endgiltig bestimmen
sollte, was Griechenland xufiel, hat er nicht
mehr erlebt, Mörderhände haben verbrecherisch
eingegriffen ...
Uber König Konstantin schrieb nach der
Negierungsübernahme unter proklamierung der
Thronbesteigung der griechische Schriftsteller
Dr. Georg Papandonakis:
Der Mann, der soeben den Thron Griechen
lands bestiegen hat, verkörpert in seiner Person
eine griechische Tradition, die sich jahrhunderte
lang erhalten hat, dann aber unterbrochen
wurde. Doch war sie nicht vergessen und sie
lebte auf, sobald die äußeren Umstände in der
Geschichte des Landes es wieder gestatteten.
König Konstantin der Hellenen ist Grieche,
nicht bloß dem Orte seiner Geburt und seiner
Erxiehung nach, sondern auch nach seinem
Wesen und seinem Gefühle. Insbesondere aber
xeigte er sich von allem Anfang an durchdrungen
von den Pflichten, die seiner harrten. Das hat
sich schon in seiner Jugend gexeigt. Seine Mit
schüler — er wurde mitten unter seinen Alters
genossen erxogen — wissen von der Aufrichtig
keit und Gradheit seines Charakters, ebenso
von der Beharrlichkeit und Hartnäckigkeit xu
erxählen, mit der er sich in die schwierigsten
Probleme einarbeitete. Wie er aber schon als
junger Mann Anteil nahm an dem politischen
Geschicke des Landes, das xeigt der Ausspruch
eines seiner Lehrer, eines bekannten Mathe
matikers, der seine Erinnerungen oft in Freundes
kreisen wiedergab: „Nie werde ich den Zustand
vergessen, in den der prinx geriet, als es 1886
hieß, daß unsere Truppen die türkische Grenxe
überschritten haben. Sein ganxes Wesen war
verändert, seine Augen funkelten. Er war nicht
xu beruhigen."
Zu den Verdiensten, die der verstorbene
König sich um das griechische Volk erwarb,
xählt als eines der größten sicherlich die Er
xiehung seines Nachfolgers.
Die erste Generation einer fremden Dynastie
hat fast in jedem Lande mit Widerwärtigkeiten
xu kämpfen. König Georg hat mit Beharrlich
keit diese Schwierigkeiten überwunden, er hat
aber gleichxeitig auch dafür gesorgt, daß seinem
Sohne ein besseres Schicksal blühe. Das ge
schah insbesondere durch die Erxiehung, die er
ihm gab. Die Veranlagung des prinxen wurde
bei dem ersten harten Schicksalsschlag, der ihn
traf, erprobt. Zweifellos war es der schwerste
Tag im Leben des prinxen, als er im Jahre
1897 seinen Mißerfolg im Kriege erlitt. Eine
unvorsichtige, vielleicht sogar leichtfertige Ne
gierung hatte ihn an die Spitze eines Heeres
gestellt, das an Zahl und Ausbildung dem
Feinde nicht gewachsen war. Der Krieg nahm
für Griechenland ein schlimmes Ende, der erste
Sündenbock aber war der unglückliche Heer
führer, der Kronprinx, der die Bitterkeit der
Niederlage am schwersten xu fühlen bekam.
Was aber tat er? Während ein anderer viel
leicht allen Mut verloren, an der Zukunft des
Landes verxweifelt hätte, faßte er den Ent
schluß, den Fehler xu beseitigen und seinem
Vaterlande dadurch einen Dienst xu erweisen,
daß er ihm den Spiegel der Wahrheit entgegen
hielt. Monatelang verschloß er sich in seinem
Zimmer, und in einer umfangreichen Studie,
die unter seinem vollen Namen erschien, stellte
er die Mängel und die Fehler der griechischen
Armee vor der ganxen Nation dar. „Die
Kritik des Thronfolgers" hieß das Buch, das
ungeheueres Aufsehen machte. Er aber blieb im
Hintergrund, bis endlich 1902 das Kabinett
Theotokis, das seine Fähigkeiten erkannt hatte,
es wagte, ihn durch ein Gesetz wieder als General
inspektor an die Spitze der Armee xu stellen.